FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2025

Österreich muss mit einem Gesetz, das Vermittlerprovisionen und Vertriebsstrukturen zukunftsfit regelt, nicht auf die EU warten, sagt Universitätsprofessor Stefan Perner. Mit der Redaktion sprach er auch über das umstrittene OGH-Kreditgebührenurteil. D ie EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, RIS) belebt in Österreich die Diskussion um Mehrfach- agenten. Stefan Perner, Vorstand des De- partments für Privatrecht an der WU-Wien und Experte für Finanzrecht, erklärt, wie eine gesetzliche Regelung aussehen könnte. Herr Perner, die Retail Investment Strategy startete imMärz turbulent in den EU-Trilog. Die Verhandlungen wurden gleich wieder ausgesetzt, bis die Kommission einen Entbürokratisierungsvorschlag vorlegt. Im Finanzvertriebwartet man aber auf die RIS, weil es um existenzielle Fragen wie etwa Provisionsverbote geht. Kann der österrei- chische Gesetzgeber momentan etwas tun, oder muss man von außen zusehen? Stefan Perner: Ich würde sagen, es ist nicht verboten, zuzuwarten. Aber wenn man zu lang nicht auf offensichtliche Veränderun- gen reagiert, kann es sein, dass man abge- hängt wird. Ich verfolge seit 20 Jahren ver- mittlerrechtliche Diskussionen. Gerade im Versicherungsrecht hat sich vom Anfang an immer die Frage eines Provisionsverbots gestellt. Es ist nie gekommen. Was man aber schon sieht, ist, dass ganz allgemein immer höhere Anforderungen gestellt wer- den. Das heißt, selbst wenn mit der RIS wie erwartet kein volles Provisionsverbot kommt, dann werden die Anforderungen steigen. Da kann man als Gesetzgeber in Österreich proaktiv tätig werden. Wo könnte man ansetzen? Aus dem Kommissionsvorschlag und aus allen Verhandlungen zeichnet sich eine Differenzierung zwischen der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten und von klassischen Versicherungsprodukten ab. Höhere Anforderungen bei den Versi- cherungsanlageprodukten haben natürlich eine Berechtigung, weil sie näher bei den „normalen“ Anlageprodukten sind, bei denen es bereits partielle Verbote gibt. Der Gesetzgeber muss sich in Österreich die Frage stellen: Will ich diese Zweiklassen- gesellschaft oder möchte ich eine grund- legende Reform in Richtung einer Ebene für alle Versicherungsprodukte? Der Fachverband der Versicherungsmakler fürchtet genau diese Ausweitung von Pro- visionsverboten auf andere Versicherungs- produkte. Was finden Sie sinnvoll? Es ist grundsätzlich sinnvoll, zwischen den Produkten zu unterscheiden. Ich habe mich auch insofern immer gegen ein allge- meines Level Playing Field ausgesprochen. Man kann nicht eine Kfz-Versicherung und eine fondsgebundene Lebensversicherung über einen Kamm scheren.Man kann aller- dings schon überlegen, ob nicht manches, was in Europa diskutiert wird, Sinn macht. Das könnte man in Österreich dann vor- ziehen. Und man kann sich die Frage stel- len, ob man das nicht vielleicht für andere Versicherungsprodukte als für die Anlage- produkte auch implementiert. Was meinen Sie damit? EU-Kommission, Rat und Parlament wol- len stärker zwischen den einzelnen Vermitt- lergruppen differenzieren. Also nicht „Pro- visionsverbot, ja oder nein“, sondern „Wie trete ich amMarkt auf?“. Da wird für Mak- „Die Idee wäre, dass es echte Mehrfachagenten nicht gibt“ » Man kann schon über- legen, ob nicht manches, was in Europa diskutiert wird, Sinn macht. « Stefan Perner, WU Wien FONDS & VERSICHERUNG Stefan Perner | WU Wien 170 fondsprofessionell.at 2/2025

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