FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2025

Garri Kasparow hat als Schachspieler Weltruhm erlangt und ist Experte für künstliche Intelligenz (KI). Im Schach haben Menschen gegen KI heute keine Chance mehr, sagt er. Warum es dazu in der Finanzberatung nicht kommen muss, erklärt er im Interview. D er Mozartsaal im Congress Center Rosengarten in Mannheim ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als er die Bühne betritt: Garri Kasparow, einer der größten Schachspieler aller Zeiten, hält den Erö - nungsvortrag am zweiten Tag des FONDS professionell KONGRESS. Sein Thema: Die Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz (KI). Mit KI beschäftigt sich Kasparow, der als jüngster Weltmeister in die Schachgeschichte eingegangen ist, schon seit einiger Zeit. Sein Buch „Deep Thinking: Where Machine Intelligence Ends and Human Creativity Begins“ ist 2018 erschienen. FONDS professionell hat den Freigeist, der auch zu den härtesten Kritikern des russischen Präsidenten Wla- dimir Putin gehört, nach seinem Vortrag zum Interview getro en. Herr Kasparow, Sie zählen international zu den besten und berühmtesten Schachspie- lern. 1985 wurden Siemit 22 Jahren jüngs- ter Weltmeister der Schachgeschichte. Ist Schach für Sie ein Spiel, das sich allein durch rationale Überlegungen, durch Stra- tegie, gewinnen lässt, oder spielen auch weitere Faktoren eine Rolle? Garri Kasparow: Ich bin jetzt über 60 und habe meine professionelle Schachkarriere bereits vor 20 Jahren beendet. Schach ist für mich aber immer noch eine Leiden- schaft. Und wie zu meiner Zeit als Pro bin ich auch heute noch davon überzeugt, dass im Schach die Persönlichkeit des Spielers einen großen Ein uss darauf hat, welche Entscheidungen er trifft. Es gibt konservative und es gibt aggressive Spieler. Das ist völlig okay, wir sind, wer wir sind. Der Trick ist aber, Bedingungen zu schaf- fen, die der eigenen Persönlichkeit ent- sprechen. Wenn man wie ich ein eher aggressiver, intuitiver Spieler ist, dann möchte man komplizierte Situationen her- beiführen, in denen man seine eigenen Stärken zur Schau stellen kann, während sich der Gegner möglichst unwohl fühlt. Schach ist ein Spiel, in demman Entschei- dungen treffen muss, daher ist es wichtig zu verstehen, welche Faktoren auf Entschei- dungsprozesse einwirken. Sie sagen, Sie seien ein eher intuitiver Spie- ler. Ist Intuition neben rationalen Entschei- dungen im Schach also auch wichtig? Sie betrachten rationale Entscheidungen und Intuition offenbar als Gegensätze. Ich sehe das anders. Eine Entscheidung basiert auf zahlreichen Komponenten, die alle dabei helfen können, zu einem möglichst guten Ergebnis zu kommen. Ein Faktor ist häu g die Intuition. Natürlich lässt sich Intuition nicht berechnen, deshalb ist sie jedoch nicht irrational. Wir denken oft, dass uns rationale Überlegungen am bes- ten zu einem Ergebnis führen. Aber das heißt ja nicht, dass es das optimale Resultat ist. Bauchgefühl kann Teil einer rationalen Entscheidung sein. Das gilt natürlich nicht nur im Schach, sondern für jeden Ent- scheidungsprozess. Portfoliomanager müssen ständig Ent- scheidungen treffen. Können sie etwas von einem Schachweltmeister lernen? „ Kreative Berater brauchen KI nicht zu fürchten“ » Maschinen sind Menschen im Schach heute haushoch überlegen, weil sie nur wenige Fehler machen. « Garri Kasparow, KI-Experte VERTRIEB & PRAXIS Garri Kasparow | KI-Experte 186 fondsprofessionell.at 1/2025

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