FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2022

ken, den Weg der lockeren Geldpolitik zu verlassen und die Wende zu Zinserhöhun- gen einzuleiten. „Dieser Schritt wurde erwartet“, meint der Candriam-Experte. „Diese ersten beiden Faktoren, Inflation und restriktive Geldpolitik, flossen in die Bewertungen der Anleihen ein.“ Maßnahmen konterkariert Der dritte Faktor wiederum trete nur sel- ten auf. „Viele Regierungen versuchen, die Auswirkungen der hohen Energiepreise zu dämpfen“, sagt Forest. Sie stützen die Wirt- schaft und wollen eine Rezession vermei- den. Sie wollen mit höheren Schulden die Auswirkungen der Inflation abmildern. „Mit ihren Maßnahmen konterkarieren sie jedoch die Strategie der Notenbanken“, erläutert der Investmentstratege. Diese wür- den mit den Zinserhöhungen das Ziel ver- folgen, das Wirtschaftswachstum zu dämp- fen und somit die Inflation einzuhegen. „Derzeit besteht also ein Gegensatz zwi- schen geldpolitischen und fiskalpolitischen Maßnahmen“, folgert Forest.Diesen Gegen- satz in den Anleihennotierungen richtig zu bewerten, falle schwer, meint der Experte und warnt: „Diese Konstellation birgt die Gefahr eines erneuten Ausverkaufs bei An- leihen.“Diese Bedrohung könne nur durch eine bessere Koordination der Geld- und der Fiskalpolitik gebannt werden. „Darauf hoffe ich zwar, ich kann jedoch dafür der- zeit keine Anzeichen erkennen“, so Forest. Anleihenprofi Kuhnke von Bantleon diagnostiziert ähnliche Wurzeln des Bond- Crashs. „Diese Entwicklung entsprang zum einen den Negativzinsen. Die Kupons als Kompensator gegenüber Kursverlusten waren damit ausgefallen“, erläutert der Experte. „Zum anderen hatten die Noten- banken die Inflation komplett unterschätzt und als temporäres Phänomen abgetan.“ Dann hätten sie aggressiv mit raschen Zins- anhebungen in so noch nicht gekanntem Ausmaß gegengesteuert. „Daher kam es zu schmerzhaften Zinsanstiegen.“ Inflation halbiert Das Potenzial von Anleihen schätzt Kuhnke optimistisch ein. „Wo der Markt jetzt steht, erscheinen Anleihen definitiv wieder attraktiv“, meint der Experte. „Der Rentenmarkt bietet im kommenden Jahr sogar bessere Ertragsperspektiven als der Aktienmarkt.“ Kuhnke begründet dies damit, dass sein Haus bis zum Jahresende mit weiteren Zinsanhebungen rechnet – wie viele andere Beobachter auch. „Die Märkte gehen aber davon aus, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen im nächsten Jahr weiter auf 2,75 bis drei Prozent hochziehen wird“, sagt Kuhnke. „Wir sind da komplett anderer Meinung. Wir erwarten eine Rezession in Europa – und auch in den USA.“ Gerade im letzten Empfindliche Einbußen … Entwicklung von Euro-Anleihen im Vergleich Über alle Kategorien hinweg fuhren Euro-Rentenpapiere eine negative Performance ein. Quelle:Bloomberg -20% -15% -10% -5% 0% 5% 10% Okt I Sept I Aug I Juli 2022 I Juni IMai I Apr IMär I Feb I Jan I Dez I Nov IOkt ‘21 iBoxx Eurozone Government Bond ETF Euro Corporate Bond ETF Euro High Yield Corporate Bond ETF … auf beiden Seiten des Atlantiks Entwicklung von US-Dollar-Anleihen im Vergleich Die Verluste von US-Anleihen erreichten Ausmaße, die eigentlich nur von den Aktienmärkten bekannt sind. Quelle:Bloomberg -25% -20% -15% -10% -5% 0% 5% 10% Okt I Sept I Aug I Juli 2022 I Juni IMai I Apr I Mär I Feb I Jan I Dez I Nov IOkt ‘21 US-Treasury Bond ETF iBoxx US-Dollar Investment Grade Corporate Bond ETF iBoxx US High Yield Corporate Bond ETF » Derzeit besteht ein Gegensatz zwischen geld- und fiskalpoliti- schen Maßnahmen. « Nicolas Forest, Candriam fondsprofessionell.at 4/2022 93 FOTO: © HAMID FADAVI | CANDRIAM

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