FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2022

Nachhaltigkeit im Finanzsektor zu fördern ist ein weiteres Kernziel der ESMA-Strate- gie. Ich denke, der Übergang zu einer nach- haltigeren Wirtschaft ist für uns alle von zentraler Bedeutung. Und wir sehen eine große Nachfrage von Anlegern nach Pro- dukten, die dazu beitragen sollen. Daher war es wichtig sicherzustellen, dass Anleger genau wissen, ob ein Finanzprodukt tat- sächlich als nachhaltig gelten darf. Für Berater ist es entscheidend, die Nachhaltig- keitspräferenzen ihrer Kunden richtig zu verstehen, damit sie Produkte empfehlen können, die den Wünschen des Anlegers tatsächlich entsprechen. Daher: Ja, ich denke die neue Regelung trägt durchaus dazu bei, Nachhaltigkeit zu fördern und Greenwashing möglichst zu vermeiden. Die ESMA wird noch Leitlinien verfassen, die die ESG-Vorgaben konkreter definieren sollen. So soll etwa festgelegt werden, wie hoch Mindestausschlüsse sein müssen, damit Fonds als nachhaltig angeboten werden dürfen.Welche Vorgaben sollen im Einzelnen konkretisiert werden, und wann ist mit den Leitlinien zu rechnen? Wir haben mit den zuständigen nationalen Behörden bereits grundsätzliche Prinzipien erarbeitet, die festlegen, welche Kriterien Fonds erfüllen müssen, wenn sie sich als ESG-Produkte bezeichnen, und wie sie vor Ort überwacht werden sollen.Nun geht es darum, die Vorgaben weiter zu spezifizie- ren. Aber das ist „Work in Progress“, dazu kann ich mich noch nicht genauer äußern. Ein weiteres Thema, das die Fondsbranche derzeit beschäftigt, ist die Überarbeitung der Verordnung über „Packaged Retail and Insurance-based Investment Products“, kurz PRIIPs. Ab 2023 müssen Asset Mana- ger für alle Fonds neue Basisinformations- blätter zur Verfügung stellen. Es soll aber einen weiteren PRIIPs-Review geben. Ja, wir haben der EU-Kommission nahe- gelegt, die PRIIPs-Verordnung auf Level 1, also auf Ebene der Gesetzgebung, noch einmal zu überprüfen.Der Grund dafür ist, dass PRIIPs in einigen Bereichen nicht wie erwartet funktionieren. Um nur ein Bei- spiel zu nennen: Bei Fonds ist es möglich, dass in den Basisinformationsblättern auf die Vergangenheitsperformance verwiesen wird, bei anderen verpackten Anlagepro- dukten hingegen bisher nicht. Das sollte einheitlich gehandhabt werden. Zudem sollten die Informationsblätter auch noch strukturierter gestaltet werden und klarer auf die wesentlichen Anlegerinformationen ausgerichtet sein, damit Privatinvestoren sie noch besser verstehen können. Dann kommt auf Fondsgesellschaften also ein weiteres Mal eine Überarbeitung der Produktinformationsblätter zu? Wenn die von uns vorgeschlagenen Ände- rungen umgesetzt werden, schon. Und zum Schluss: Welche Ziele haben Sie sich persönlich für Ihre weitere Amtszeit als ESMA-Vorsitzende gesteckt? Dafür zu sorgen, dass wir unsere Strategie nun konsequent umsetzen. Ich möchte in fünf Jahren sagen können: Ja, die ESMA hat bei der Schaffung effektiver, stabiler Märkte, der Stärkung der Aufsicht, beim Schutz von Privatanlegern und in Sachen Nachhaltigkeit tatsächlich Fortschritte gemacht. Wir haben also eine Menge zu tun, und ich freue mich darauf! Vielen Dank für das Gespräch. ANDREA MARTENS FP KURZ-VITA: Verena Ross Verena Ross ist Vorsitzende der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in Paris. Die gebürtige Deutsche ist seit November 2021 im Amt. Sie leitet den Rat der Aufseher sowie den Verwaltungsrat. Zuvor war sie Exe- kutivdirektorin bei der Behörde. Bevor Ross 2011 zur ESMA kam, war die Wirtschaftswissenschaftlerin seit 2002 in ver- schiedenen Positionen bei der britischen Finanzmarktauf- sicht Financial Services Authority (FSA, später FCA ) tätig. » Die Funktionsweise des Beratungsmarktes stellt in einigen Ländern ein Problem dar. « Verena Ross, ESMA FOTO: © FRANCOIS DABURON fondsprofessionell.at 4/2022 267

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