FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2022

könnten auch in den kommenden sechs bis zwölf Monaten bestehen bleiben. Nimmt man die anhaltende Stärke des US-Dollars hinzu, wird eine Entspannung an den Schwellenländermärkten in naher Zukunft noch unwahrscheinlicher.“ Doch auch langfristig mehren sich die Fragezeichen. Besonders zu China: Wirt- schaft und Börse haben unter der Null- Covid-Politik und den damit einhergehen- den Lockdowns gelitten.Und mit Blick auf die Zukunft nehmen die zunehmende Regulierung und die Abschottung unter Schlagworten wie der „Politik des gemein- samen Wohlstands“nahezu jede Kursfanta- sie. Als jüngstes Kapitel im sich ausweiten- den Wirtschaftskrieg mit den Vereinigten Staaten erließ die US-Regierung umfassen- de Exportbeschränkungen für moderne US-Halbleiter nach China. China belastet Auf Sicht von zwölf Monaten gab der MSCI China rund 45 Prozent nach, der globale Schwellenländerindex verlor im sel- ben Zeitraum knapp 34 Prozent. Das liegt auch an Chinas enttäuschendemAbschnei- den, das zugleich eines der größten Proble- me für globale EM-Strategien darstellt: Da chinesische Aktien fast ein Drittel des welt- weiten Schwellenländerindex ausmachen, diktieren deren Bewegungen die Richtung des Kursbarometers und damit auch indexnaher Portfolios. Taiwan, nach Marktkapitali- sierung die Nummer zwei im globalen Emerging-Markets- Universum, wird in den geo- politischen Strudel rund um Chinas territoriale Ansprüche hineingezogen. Obwohl Tai- wans Wirtschaft nach einem Rekordjahr 2021 auch dieses Jahr dynamisch wachsen dürf- te, brachen die Kurse seit Jah- resanfang um etwa 30 Prozent ein.Osteuropa wiederum leidet besonders unter dem Krieg in unmittel- barer Nähe und der damit einhergehenden Energiekrise, was sich ebenfalls an der Bör- senentwicklung ablesen lässt (siehe Grafik). Anlageklasse zerfällt Einige Beobachter diagnostizieren eine teilweise Auflösung des bekannten, von den führenden Industriestaaten bestimm- ten Wirtschafts- und Investmentbildes. Die zunehmende Blockbildung, die auch das Schwellenlanduniversum spaltet, zeigt sich etwa in der Regionalisierung von Lieferket- ten, Autokratie- und Sanktionsrisiken sowie zunehmenden staatlichen Eingriffen. „Die Globalisierung stößt an ihre Grenzen, und damit verlieren viele Diversifizierungs- und Wachstumskomponenten ihre Tragkraft“, sagt Markus Steinbeis vomMünchner Ver- mögensverwalter Steinbeis & Häcker. Konkurrenz verspüren auch supranatio- nale Institutionen wie der IWF und die Weltbank. In den letzten Jahren trat das erweiterte BRICS-Bündnis mit Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika mit der gegründeten New Development Bank (NDB) zunehmend offen als Gegenent- wurf auf. Zuletzt haben auch die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten angekündigt, sich voraussichtlich stärker in der Gruppe zu engagieren. Steinbeis’ Fazit: „Die Wachs- tumskomponente Schwellenlandaktien erkauft man sich zunehmend mit geopoli- tischen Risiken.“ Das wirtschaftliche Potenzial der Schwel- lenländer ist dabei ohne Frage weiterhin gewaltig. Sie werden selbst bei skeptischeren Wachs- tumsaussichten in den nächs- ten Jahren den Großteil zum globalen Wirtschafts- und Be- völkerungswachstum beitra- gen. Ein aktueller Bericht der Vereinten Nationen zeigt, dass praktisch der gesamte Zuwachs der Weltbevölkerung bis 2050 in den Schwellenländern statt- finden wird – insbesondere in Indien. Nigeria wird demnach 2050 nach China an dritter Stelle stehen, gleichauf mit den Vereinigten Staaten. Auch Län- der wie Indonesien, Brasilien China unten durch Zwölfmonatsperformance ausgewählter Schwellenländer Die schlechte Entwicklung chinesischer Aktien zog den gesamten Schwellenländerindex von MSCI nach unten. *MSCIWorld,Stand:27.10.22 |Quelle:Onvista,MSCI China Osteuropa Schwellenländer global Industriestaaten global* Indien Lateinamerika Indonesien Brasilien (zum Vergleich) Entwicklung der MSCI-Länder-/Regionen-Indizes auf US-Dollarbasis +5,7 % +2,5 % +0,8 % -10,7 % -19,5 % -33,6 % -37,4 % -45,5 % » Günstige Bewertungen und überdurchschnitt- liche Wachstumsper- spektiven sprechen für ein Comeback der Schwellenländeraktien. « Michael Heise, HQ Trust fondsprofessionell.at 4/2022 105 FOTO: © PHILIPPE RAMAKERS

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=