FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2022

über diese Vorschläge. Auch in unserem Portfolio gibt es Aspekte, die unter ESG- Gesichtspunkten kritisch zu bewerten sind. Mit Blick auf die Umwelt – das „E“ – ist meistens alles in Ordnung, aber bei den Governance-Themen sieht das mitunter anders aus. Haben Sie ein Beispiel? Gerade bei jungen Unternehmen sitzt der Gründer oft sowohl demVorstand als auch dem Verwaltungsrat vor. Aus Governance- Sicht ist das sicherlich suboptimal. Auf der anderen Seite durchläuft jedes Unterneh- men einen Lebenszyklus, und in gewissen Phasen kann es von Vorteil sein, einen ech- ten Macher an der Spitze zu haben, der schnell Entscheidungen trifft. Dann disku- tieren wir mit den Kollegen aus dem Proxy- Voting-Team, ob es wirklich sinnvoll ist, den entsprechenden Tagesordnungspunkt auf der Hauptversammlung abzulehnen. In puncto Nachhaltigkeit gibt es nicht nur schwarz und weiß. Um die wirklich wich- tigen Ziele zu erreichen, ist eine gewisse Flexibilität nötig. Ich begrüße es sehr, dass das bei uns im Unternehmen so gehand- habt wird. Ein starres Schema à la „Wenn ein gewisser Punkt nicht erfüllt ist, stimmen wir reflexartig dagegen“ hilft selten weiter. Besser ist es, mit gesundem Menschenver- stand die Vor- und Nachteile abzuwägen. Zu einemanderen Punkt, der Performance: Themenfonds wie Ihre investieren zwangs- läufig fast ausschließlich in Wachstums- werte. Das hat sich anfangs ausgezahlt, seit geraumer Zeit fällt der Growth-Stil an der Börse allerdings durch – gefragt ist nur noch Value. 2020 hat unsere Energy-Transition-Strategie mehr als 160 Prozent Performance abge- worfen und gehörte damit zu den besten Fonds der Welt. 2021 war herausfordernd, doch auch da konnten wir uns deutlich besser halten als die meisten Growth- und Umweltfonds. Gelungen ist das, weil wir unser Portfolio defensiver aufgestellt haben, indem wir zum Beispiel Geld aus ameri- kanischen in europäische Unternehmen umgeschichtet haben. Mittlerweile setzen wir wieder stärker auf Growth-Aktien aus dem US-Umweltsektor, weil wir an ein Comeback dieser Titel glauben. Dieses Jahr verläuft bislang noch schlech- ter für Ihr Anlagethema als 2021. Lohnt es sich dennoch, jetzt einzusteigen? Absolut! Investoren bot sich selten eine bessere Gelegenheit, Umweltaktien zu kau- fen – vorausgesetzt natürlich, sie bringen den nötigen langen Atem mit. Was stimmt Sie so optimistisch? Den Solarunternehmen steht ein Nach- frageboom bevor. Die Wasserstoffindustrie explodiert förmlich, zum Glück nur bild- lich gesprochen! (Lacht.) Auch Offshore- Windkraft wird einen gigantischen Auf- schwung erfahren. Die Notwendigkeit einer Energiewende wurde politisch durch- weg erkannt, jetzt geht es an die Umset- zung. Denken Sie nur an das rund 370 Milliarden Dollar schwere Klimapaket, das US-Präsident Joe Biden auf den Weg ge- bracht hat – das wird dem gesamten Sek- tor Auftrieb geben. Die Fundamentaldaten sind super. Dass die Aktienkurse dennoch schwächeln, liegt an der hohen Inflation und der Zinswende. Aber das sind Makro- faktoren, die das eigentliche Thema kaum beeinflussen. Die Kurse haben sich so weit von ihren Fundamentaldaten entfernt, dass die Talsohle bald erreicht sein sollte. Vielen Dank für das Gespräch. BERND MIKOSCH FP » Investoren bot sich selten eine bessere Gelegenheit, Umwelt- aktien zu kaufen. « Ulrik Fugmann, BNP Paribas AM KURZ-VITA: Ulrik Fugmann Ulrik Fugmann kam 2019 gemeinsam mit Edward Lees zu BNP Paribas AM, um die „Environmental Strategies Group“ aufzubauen. Das Duo hatte bereits zehn Jahre lang gemein- sam bei Goldman Sachs Asset Management gearbeitet, bevor es sich 2012 mit einer Investmentboutique namens North Shore Partners selbstständig machte, die schließlich von der Londoner Duet Group übernommen wurde. FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH fondsprofessionell.at 3/2022 145

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=