FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2022

fung und geopolitischer Krise zu tun. Und ich fürchte, dass beides auch so schnell nicht vorbei sein wird. Auch das wird im Übrigen einen Unterschied zur Kubakrise markieren, die am Ende eigentlich nur 13 Tage gedauert hat und mit dem Abzug der russischen Atomsprengköpfe beendet war. Was könnte zu einer Lösung beitragen? Ehrlich gesagt kann ich imMoment nicht wirklich erkennen,wie sich die Situation in der Ukraine kurzfristig und vor allem fried- lich lösen lassen könnte.Und ich sehe auch nicht, wie die Notenbankpolitik so schnell wieder ins Positive drehen könnte. Wenn die Inflation auf einem 40-Jahres-Hoch steht, dann bleibt den Zentralbanken na- türlich nichts anderes übrig, als dagegen anzukämpfen.Wir dürfen aber gleichzeitig nicht verkennen, dass wir es mit einer Teuerung zu tun haben, die ich als nicht typisch bezeichnen würde. Worunter Sie was genau verstehen? Den meisten Zyklen steigender Preise wäh- rend der Nachkriegszeit ist eine Phase einer boomenden Konjunktur vorausgegangen, die dann irgendwann zu einem Anstieg der Nachfrage mit entsprechenden Auswir- kungen auf die Preise geführt hat. Diesmal war es anders. In einer Zeit, da die Kon- junktur sich noch gar nicht in einer Boom- phase befunden hat, ist die Inflation sehr stark gestiegen aufgrund einer Verknap- pung des Angebots, nicht aufgrund eines starken Anstiegs der Nachfrage. Geführt hat dazu zunächst die Covid-Krise mit ihren Lieferengpässen, und relativ kurz da- nach brach der Ukrainekrieg aus – mit einer zunehmenden Versorgungsknappheit bei Lebensmitteln und vor allem Energie, was dann zusätzlich zu Zweitrundeneffek- ten auch bei der Preisentwicklung in ande- ren Wirtschaftsbereichen geführt hat. Heißt das, dass Sie sich an der weithin verbreiteten Kritik, die Notenbanken seien viel zu spät dran, nicht beteiligen? Es ist natürlich wohlfeil zu behaupten, die Notenbanken seien „behind the curve“, wie es heutzutage allerorten heißt. Und ich will auch gar nicht behaupten, die Verantwort- lichen in Fed und EZB hätten alles richtig gemacht. Aber Zentralbanker befinden sich aufgrund der Besonderheit der Situa- tion, wie ich sie eben beschrieben habe, tatsächlich so ein wenig zwischen Baum und Borke. Und sie laufen Gefahr, durch eine zu scharfe Zinssteigerungspolitik gleich den nächsten Fehler zu begehen, in- dem sie allzu sehr auf die Politik hören, die natürlich gerade in den USA unter einem enormen Druck steht, die Teuerung wieder einzufangen. Denn es ist vor allem die Inflation, die die Beliebtheit von Joe Biden so kurz vor den Senatswahlen im Novem- ber enorm zurückgehen lässt. » Wenn die Inflation auf einem 40-Jahres- Hoch steht, bleibt den Zentralbanken natürlich nichts anderes übrig, als dagegen anzukämpfen. « Jens Ehrhardt, DJE Kapital KURZ-VITA: Jens Ehrhardt Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandschef der in Pullach bei München ansässigen Vermögensverwal- tung DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der sei- nerzeit größten deutschen Wertpapiervermögensverwaltung Portfolio Management promovierte er 1974 über „Kurs- bestimmungsfaktoren am Aktienmarkt“. Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau der heutigen Firmengrup- pe, die mit rund 170 Mitarbeitern ein Volumen von mehr als 16 Milliarden Euro für private und institutionelle Kunden im In- und Ausland verwaltet. FOTO: © STEFAN GREGOROWIUS fondsprofessionel.at 3/2022 133

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