FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2022

können rechtswidrige Klauseln dazu führen, dass der gesamte Fremdwährungs- kredit rückabgewickelt werden muss“, so Schumacher. Es habe einige Zeit gedauert, bis der OGH dieser Rechtssicht folgte. Auch auf die Finanzberater könnten durch den Paradigmenwechsel Kunden- fragen zukommen. Finanzdienstleister- Obmann Hannes Dolzer sagt, man merke zwar noch kein erhöhtes Aufkommen, schaue sich das aber gerade an. Beim Ver- ein für Konsumenteninformation (VKI) wiederum gab es aufgrund der Urteile ei- nen leichten Anfragenanstieg, wie es heißt. Jurist Schumacher sagt, die in letzter Zeit ergangenen EuGH-Urteile, die für Tausen- de ähnlich intransparente Verträge gelten, würden die Verbraucher stärken. So seien Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Aufklärung heute eigentlich verjährt. Die Risikoaufklärung ist nun aber bei der Transparenz wieder ein Thema. Bei Fehl- aufklärung könnte der Vertrag wegfallen. Noch wenig ausjudiziert Schumacher dämpft aber überzogene Hoffnungen von Fremdwährungs- schuldnern mit Verlusten. „Man muss fair dazusagen, es gibt noch viele offene Punkte.“ Denn wenn ein Vertrag nichtig ist, sei noch lange nicht klar, welche Rechts- folgen daraus entstehen. Da müsse noch vieles ausjudiziert werden. Auf zwei wesentliche Fragen müssten die Gerichte Antworten finden: Wer trägt das Wechselkursrisiko? Und wie weit zurück muss der Kredit- nehmer eines aufgelösten Ver- trags Zinsen nachzahlen? „Es ist eine komplexe The- matik. Und der Schauplatz ist nicht nur Wien, sondern auch Luxemburg mit dem EuGH“, betont Schumacher. Das unter- mauert auch eine weitere EuGH-Entscheidung vom 31. März 2022 (C-472/20), die übergeord- nete Bedeutung haben könnte: Ein un- garischer Autokäufer nahm 2009 einen Franken-Kredit auf. Als ihm 2015 die Bank den Kredit fällig stellte, zahlte er nur den in Forint erhaltenen Betrag. Er argu- mentierte, die Klauseln wären erstens un- klar und zweitens missbräuchlich,weil ihm das Wechselkursrisiko allein auferlegt wur- de.Das Erstgericht rechnete tatsächlich den Kredit auf Forint um und urteilte, dass der Konsument zwar die (hohen) Forint-Zin- sen zahlen muss (23,07 Prozent per an- num), nicht aber das (noch höhere) Wech- selkursrisiko. Im Berufungsverfahren gab es eine Anfrage an den EuGH, und der bestä- tigte, dass die Bank den Wechselkursverlust tragen muss, denn: Ein Konsument brau- che nicht die Folgen rechtswidriger Klau- seln zu tragen. Das sei eine sehr starke Aus- sage auch für Fälle in Österreich, so Schu- macher. Jedoch müsse man ebenfalls die weiteren Entscheidungen der Gerichte in Individualfällen abwarten. Die ab den 1990ern als vorteilhaft be- worbenen Fremdwährungskredite (meist in Franken) wurden für viele Schuldner zur Falle, als der davor zum Euro (früher Schilling) relativ stabile Franken stark auf- wertete (siehe Grafik vorige Seite). Gleich- zeitig verschwand mit den sinkenden Euro- zonen-Zinsen der Vorteil der günstigen Schweizer Zinslandschaft. Vor allem aber hatten Anleger Verluste, weil die oft parallel als Tilgungsträger abgeschlos- senen Investmentprodukte schlecht performten. Ein Spre- cher der Bank Austria, der das jüngste OGH-Urteil galt, beant- wortete die Frage, ob es seither erhöhte Kundenforderungen gab, nicht. Man gehe jedoch weiter davon aus, dass die Ver- träge wirksam seien. Kunden hätten bewusst die erheblichen Zinsvorteile gegenüber einer Finanzierung in Euro genutzt und davon profitiert. Diese Ansicht habe jüngst auch das Oberlandesgericht Wien bestä- tigt, so der Sprecher. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP Fremdwährungsvolumen Abbau eines Milliardensektors Zum Höhepunkt 2008 waren die Haushalte zu einem Drittel in Fremd- währung verschuldet. Die Aufsicht drängt seitdem zum Abbau. Quelle:FMA 0 % 5 % 10 % 15 % 2021 2020 2019 2018 2017 … 2008 Fremdwährungskredite Angaben in % des Gesamtkreditvolumens privater Haushalte 5,5 % 10,9 % 31,8 % » Der Schauplatz ist nicht nur Wien, sondern auch Luxemburg mit dem EuGH. « Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt BANK & FONDS FX-Kredite 244 fondsprofessionell.at 2/2022 FOTO: © MARLENE RAHMANN

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