FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2021

Denken Sie dabei an die Taxonomie- und die EU-Offenlegungsverordnung? Richtig, das meine ich. Offenlegung hört sich zunächst einmal gut an. Aber was bedeuten nun die offengelegten Fakten? Das muss der Anleger oder der Analyst be- urteilen, indem er zusätzlich zu seiner eige- nen Einschätzung die anderer – des Mark- tes, der Politik, des Regulierers – heranzieht. Mit der Taxonomie will nun ein Regulierer dem Anleger oder dem Analysten eine be- stimmte Beurteilung aufdrängen. Das eige- ne Denken soll aus- und das der Marktteil- nehmer gleichgeschaltet werden. Wie es eben in der sozialistischen Zentralplanung der Fall war. Das eröffnet der Fondsbran- che neue Einnahmequellen. Man bastelt Portfolios zusammen, die sich an oberfläch- lich ausgelegten „ESG-Kriterien“ orientie- ren, und verkauft sie demKunden zu einem Aufpreis. Die Methode erinnert an die berüchtigten Collateralized Debt Obliga- tions, die eine wesentliche Rolle in der Finanzkrise gespielt haben. Der Unter- schied ist allerdings, dass der Staat der Fondsbranche das Rezept zum Zusam- menbasteln diesmal frei Haus liefert. Sie beschäftigen sich in Ihrem Buch auch mit modernen Finanzmarkttheorien. Eine davon ist die Effizienzmarkttheorie von Eugene Fama, auf der die Entwicklung von ETFs fußt. Was bemängeln Sie an dieser Theorie? Dass sie völlig weltfremd ist. Die Effizienz- markttheorie besagt, dass die Preise, die in einem Markt erzielt werden, sämtliche Informationen reflektieren, die in diesem Markt verfügbar sind.Das würde bedeuten, dass der Markt rational agiert und nie- mand in der Lage ist, ihn zu schlagen.Wir wissen wir aber schon lange, dass Men- schen nicht superrational handeln. Lange Zeit dachte man, dass im Aggregat durch den Markt dann doch etwas Rationales herauskommt. Die Dotcom-Blase und die Finanzkrise haben aber auch diese Annah- me als Illusion entlarvt. Meiner Meinung nach handeln Marktteilnehmer „subjektiv rational“, entsprechend ihrer persönlichen Kenntnis der Fakten und ihres Wissens. Wenn Sie das für realistisch halten,müssen Sie die ganze moderne Finanztheorie, die immer noch an den Universitäten gelehrt wird, für unrealistisch halten. Dann müsste der ETF-Trend irgendwann zum Erliegen kommen. Das wird schon allein aus einem anderen Grund passieren: ETFs sind eine gute Methode zum Trittbrettfahren. Daran ist auch nichts Verwerfliches. Man profitiert davon, dass sich noch immer genügend Leute die Mühe machen,Unternehmen zu analysieren. Allerdings endet die Fahrt, wenn die Straßenbahn, auf deren Trittbrett man steht, zum Halten kommt, weil sie keiner mehr antreibt. Dann lohnt es sich wieder, die Titel sorgfältig auszuwählen, die man ins Portfolio nimmt. Auch mit der Geld- und Zinspolitik der Notenbanken gehen Sie hart ins Gericht. Können Sie bitte Ihre wesentlichen Kritik- punkte erläutern? Die Zentralbanker folgen unrealistischen Modellen. Schauen Sie sich das Neukeyne- sianische Modell an, auf das sich die Noten- banken für ihre Geldpolitik berufen. Dort kommen Banken überhaupt nicht vor, und es wird nicht erklärt,wie Geld über die Kre- ditvergabe der Institute erzeugt wird.Hinzu kommt, dass die für dieses Modell elemen- taren Beziehungen zwischen Wirtschafts- größen über die Zeit nicht stabil sind. In meinem Buch zeige ich, wie sich die Phil- lips-Kurve, der Zusammenhang zwischen gesamtwirtschaftlicher Kapazitätsauslastung » Mit der Taxonomie will der Regulierer Anlegern oder Analysten eine bestimmte Beurteilung aufdrängen. « Thomas Mayer, Flossbach von Storch FOTOS: © CORNELIS GOLLHARDT 106 fondsprofessionell.at 3/2021 MARKT & STRATEGIE Thomas Mayer | Flossbach von Storch

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