FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2021

Rathausky: Auf keinen Fall! Es ist vollkom- mener Unsinn zu behaupten, die vergan- genen Jahre seien keine Value-Jahre gewe- sen oder Value sei endgültig tot. Auch ein Warren Buffett ist davon überzeugt, dass Wachstum ein unbedingter Bestandteil der Value-Gleichung sein muss. Am Ende möchte ich doch in Unternehmen investie- ren, die wachsen. Man darf aber nicht die Augen davor verschließen, dass sehr viele Unternehmen, die früher als Top-Value- werte galten, von ausgeprägten Struktur- brüchen in Mitleidenschaft gezogen wor- den sind, während andere Unternehmen emporgekommen sind und auf einmal in Glanz und Anschein stehen. Value ist ent- standen in Unternehmen wie Apple, Mi- crosoft, Alphabet und Amazon, die in toto im Jahr 2020 einen operativen Cashflow von fast 300 Milliarden US-Dollar erzielten. Gleichzeitig ist Value regelrecht verloren gegangen in Unternehmen wie der Deut- schen Bank, Metro, Thyssen-Krupp und vielen anderen. Das ist der Grund, weshalb man sich nicht auf Kurs-Buchwert-Ver- hältnisse, Dividendenrenditen oder Kurs- Gewinn-Verhältnisse verlassen darf. Diese Kennzahlen bilden vielleicht den Status quo oder die Vergangenheit ab, aber sie richten den Blick nicht in die Zukunft. Deshalb führt auch die Diskussion um die Frage einer möglichen Rotation von Growth zu Value vollkommen in die Irre. So mancher Value-Investor hat aber noch ein ganz anderes Problem. Heuser: Das wie genau aussieht? Rathausky: Viele Anhänger des Value-orien- tierten Investierens können zwar durchaus gut einschätzen, wann ein bestimmtes Investment günstig erscheint. Was ihnen aber häufig fehlt, ist das richtige Timing. Dann harren sie zu lange aus in der Hoff- nung, dass ihre Erwartung irgendwann auf- geht. Wir setzen dagegen alles daran, erst gar nicht in ein solches Dilemma zu gera- ten. Deshalb ist uns beides wichtig: Einer- seits wollen wir das fundamentale Risiko einer Investition möglichst eingrenzen. An der Stelle sind wir nah an der Philosophie von Warren Buffett, indem wir in Unter- nehmen mit einem sehr guten Geschäfts- modell, einem guten Management und einem attraktiv bewerteten Aktienkurs in- vestieren. Andererseits wollen wir aber auch nicht allzu lang darauf warten, dass unsere Erwartung auf einen deutlichen Wertzuwachs aufgeht. Deshalb versuchen wir, ein gutes Timing zu erreichen. Und ein gut analysiertes Event liefert uns den Grund, warum wir zu einem bestimmten Zeitpunkt investieren, um so unser Markt- preisrisiko im Zaum zu halten. Das gelingt natürlich nicht immer perfekt, auch wir liegen bei einzelnen Investments daneben oder haben auch mal Gegenwind. Heuser: Ziemlichen Gegenwind gab es vor Kurzem bei Ihrem Investment in die Grenke AG. Warum halten Sie trotz des starken Kursrückgangs an der Aktie fest? Rathausky: Würden wir wegen des Kurs- rückgangs verkaufen, folgten wir einem Value-at-Risk-Modell. Das ist das Gegenteil von dem, was wir machen.Wir sind davon überzeugt, dass die Grenke AG als mittel- ständisch geprägtes und ehemals eigentü- mergeführtes Unternehmen ein wunder- bares Geschäftsmodell besitzt und zu Unrecht ins Zentrum einer Short-Attacke geraten ist. Es muss aber unbedingt seine internen Prozesse und die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt verbessern. Der erneute Kurseinbruch Anfang Februar war weniger auf die inhaltliche Relevanz der in einer Ad-hoc-Mitteilung angesprochenen Themen Compliance, interne Revision und Ausscheiden eines Vorstands zurück- zuführen, sondern auf mangelhafte Krisen- kommunikation. Die anschließende Ad- hoc-Mitteilung über den Zwischenstand der Bafin-Sonderprüfung war dann schon deutlich gelungener. Jedenfalls, das Unter- » Die Diskussion um die Frage einer möglichen Rotation von Growth zu Value führt voll- kommen in die Irre. « Uwe Rathausky, Gané MARKT & STRATEGIE Fondsmanager im Kreuzverhör | Uwe Rathausky | Gané 54 fondsprofessionell.at 1/2021 KREUZ VERHÖR FOTO: © ANDREAS GEBERT (2)

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