FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2021

Gestärkte Verbraucher Die EU geht nun auf die langjährigen Forderungen von Verbraucher- schutzverbänden nach einem kollektiven Verbraucherschutz ein. Ein EU-weiter Rechtsrahmen für Sammelklagen wird geschaffen. B isher spielte sich der kollektive Rechts- schutz nahezu ausschließlich auf na- tionaler Ebene ab. So gibt es in Österreich die Möglichkeit einer nationalen Verbands- klage nach dem Konsumentenschutzgesetz. Bestimmte im Gesetz genannte Verbände, etwa die Arbeiterkammer oder der VKI, können von Unternehmen die Unterlas- sung bestimmter Handlungen, die gegen das Konsumentenschutzrecht verstoßen, verlangen. Zusätzlich hat sich in der Recht- sprechung die sogenannte „Sammelklage österreichischer Prägung“ entwickelt. Da- bei treten geschädigte Verbraucher ihre Ansprüche an darauf spezialisierte Vereine oder Unternehmen ab. Diese klagen die abgetretenen Ansprüche gebündelt im eigenen Namen, jedoch für die einzelnen Verbraucher ein. Die Defizite des kollektiven Rechtsschut- zes in Österreich und letztlich auch auf europäischer Ebene zeigten sich jedoch beim VW-Diesel-Skandal 2015. Während VW in den USA recht rasch dazu verurteilt wurde, mehrere Milliarden Euro an Scha- denersatz und Strafe (punitive damages) an die Geschädigten zu zahlen, warten die europäischen Autofahrer oftmals noch heute auf ein Urteil. Die erste Hürde und somit auch Schwachstelle eines kollektiven Vorgehens gegen die Verantwortlichen lag auf österreichischer Ebene insbesondere darin, dass es keinen gemeinsamen Ge- richtsstand der klagenden Verbraucher gab. So mussten statt einer einzelnen Klage zahlreiche separate Klagen bei verschie- denen Gerichten erhoben werden. Diese Erfahrungen schürten die Forderung nach einer europaweiten Gesetzesinitiative. ImNovember 2020 war es dann so weit, und das Europäische Parlament verabschie- dete die „Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Ver- braucher“. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten der EU, ein innerstaatli- ches System zu etablieren, in dem die kol- lektiven Verbraucherinteressen vor Verstö- ßen von Unternehmen gegen Unionsrecht weitgehend geschützt werden. Dafür gibt der europäische Gesetzgeber die Rahmen- bedingungen vor, überlässt es jedoch den nationalen Gesetzgebern, die Details fest- zulegen. Die Umsetzung der Richtlinie in die nationalen Rechtsordnungen hat bis zum 25.12.2022 zu erfolgen. Anwendungs- beginn ist der 25.6.2023. Was bringt die neue EU-Sammelklage? Dem Beschluss im Europäischen Parla- ment gingen intensive Verhandlungen zwi- schen den Mitgliedsstaaten, aber vor allem zwischen den diversen Interessenvertretern voraus. So überrascht es nicht, dass die Reaktionen auf die Richtlinie unterschied- lich ausfielen. Von einem „zahnlosen EU- Papiertiger“ war zu lesen, genauso aber auch von einem echten „Gamechanger“, der für Unternehmen existenzbedrohende Szenarien bringen kann. Letzteres liegt darin begründet, dass die Klagen nicht nur auf Unterlassung, son- dern auch auf Abhilfe gerichtet werden können. Als sogenannte Abhilfeleistungen kommen Schadenersatz, Reparatur, Ersatz- leistung, Preisminderung, Vertragsauflö- sung und Erstattung des gezahlten Preises in Betracht.Hierbei ist vorgesehen, dass der Immer wenn mehrere Konsumenten einem mächtigen und finanzstarken Unternehmen gegenüberstehen, ist kollektiver Rechtsschutz gefragt. Daher schafft die EU einen EU-weiten Rechtsrahmen für Sammelklagen. STEUER & RECHT EU-Sammelklage FOTO: © MQ-ILLUSTRATIONS | STOCK.ADOBE.COM, UWE STRASSER (2) 258 fondsprofessionell.at 1/2021

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=