FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020
schlechteren Preisen verkauft werden. Der prinzipiell längerfristigen Ausrichtung eines Investments in Immobilienfonds wird damit Rechnung getragen“, so Peter Karl, Geschäftsführer der Erste Immobilien KAG. Allerdings ist der erfahrene Manager bezüglich der geplanten Mindestbehalte- frist auch skeptisch: „Denn unseres Erach- tens wird der Effekt auf die Fondsliquidität gering sein, da diese Regelung nur die Käu- fe der letzten zwölf Monate betrifft und da- mit bei den etablierten bestehenden Fonds nur einen kleinen Bruchteil des Fonds- volumens.“ Außerem stehe der administra- tive Aufwand in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen. Europäische Crowd-Verordnung Deutlich mehr Freiheiten bekommen schon bald die Betreiber von Crowdfun- dingplattformen. Im Juli hat die EU-Kom- mission die „Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister“, kurz ESCP-VO, veröffentlicht. Anfang Oktober hat das Europäische Parlament der Verord- nung zugestimmt. Sie muss nicht von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht gegos- sen werden, sondern tritt imOktober 2021 in Kraft. Bislang ist die Regulierung der Plattfor- men und der Crowdinvesting-Angebote in Europa uneinheitlich.Wer in zwei Ländern aktiv ist,muss sich an die Regeln in beiden Ländern halten und gegebenenfalls zwei Lizenzen lösen. Mit der Verordnung wird ein „Europäischer Pass“ geschaffen, mit dem eine in ihremHeimatland zugelassene Plattform in allen EU-Ländern tätig wer- den darf. „Wir gehen davon aus, dass diese Regulierung neuen Wind in den Markt bringen wird, und sind in der Evaluierung der notwendigen Maßnahmen und Schrit- te“, sagt Daniel Horak, Geschäftsführer der Plattform Conda. Neue Chancen für Plattformen Die Sache hat eventuell noch einen Haken: Die ESCP-Lizenz gilt nur für die Vermittlung von Wertpapieren und Kredi- ten, und diesbezüglich gibt es noch Unklar- heiten. Denn die im Crowdfunding weit verbreiteten qualifiziert nachrangigen Dar- lehen gehören definitiv nicht dazu. „Aber Nachrangdarlehen ohne Rangrücktritt sind meines Erachtens Kredite im Sinne dieser EU-Verordnung und fallen unter die neue Regelung“,meint Andreas Zederbauer, Ge- schäftsführer der PlattformDagobertinvest. Ob das tatsächlich so ist, müssen die Auf- sichtsbehörden bis Oktober 2021 klären. Die Verordnung gilt für alle Emissionen bis fünf Millionen Euro, für die kein Pro- spekt notwendig ist. Die Emittenten müs- sen ein sechsseitiges Anlagebasisinforma- tionsblatt erstellen und bei der Finanzauf- sicht hinterlegen.Die Plattformen sollen laut Verordnung „sicherstellen, dass das Informa- tionsblatt klar, richtig und vollständig ist“. Erleichterungen gibt es bei den Anlage- schwellen, weil die Einzelinvestments prak- tisch nicht mehr beschränkt sind. Denn „nicht kundige“ Investoren müssen ledig- lich auf die Risiken hingewiesen werden, sobald sie mehr als 1.000 Euro in ein Ange- bot investieren. Kundige Anleger können problemlos höhere Beträge zeichnen. Die österreichischen Plattformen sehen die Verordnung positiv, weil sie einfacher expandieren können. „Für die Anleger bedeutet das, dass – neben den etablierten Nachrangdarlehen auf Basis nationaler Ge- setze – dank der EU-Verordnung nunmehr auch europaweite Investmentchancen in Form von Wertpapieren folgen“, ergänzt Wolfgang Deutschmann, Geschäftsführer der Rocket-Plattformen. Allerdings bringt die ESCP-Lizenz neue Pflichten und Au- flagen für die Plattformen. Daher bremst Horak überschäumende Euphorie: „Wir müssen die nächsten Schritte für uns ab- wiegen und möchten nicht vorpreschen.“ ALEXANDER ENDLWEBER FP Peter Karl, Erste Immobilien KAG: „Der Effekt auf die Fondsliquidität wird gering sein, da die Regelung nur die Käufe der letzten zwölf Monate betrifft.“ Daniel Horak, Conda: „Wir gehen davon aus, dass diese Regulierung neuen Wind in den Markt bringen wird, und evaluieren die notwendigen Maßnahmen.“ » Der prinzipiell länger- fristigen Ausrichtung eines Immobilienfonds wird mit der Haltefrist Rechnung getragen. « Peter Karl, Erste Immobilien KAG fondsprofessionell.at 4/2020 251
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