FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020

Gernot Blümel leitet seit Beginn des Jahres das Finanzministerium . Wie der neue Finanzminister mit den Herausforderungen der Coronakrise umgeht und welche Pläne er für den Kapitalmarkt hat, erklärt er im Gespräch. A nfang des Jahres übernahm Gernot Blümel das Ruder im Finanzressort. Der mittlerweile 24. Finanzminister der Zweiten Republik hat dabei kein leichtes Los gezogen, die anhaltende Coronavirus- Krise und deren Folgen lassen die Staats- schulden nach oben schnellen und reißen auch im nächsten Jahr ein tiefes Loch in den Haushalt.Warum er es trotzdem nicht bereut, den Job angenommen zu haben, ob die bisherigen Staatshilfen reichen werden und wie Blümel den Kapitalmarkt in Zukunft stärken will, erklärt er im Inter- view. Herr Blümel, Sie sind seit Anfang des Jahres Finanzminister. An sich bereits ein herausforderndes Amt, nun kam mit der Coronakrise eine noch nie dagewesene Herausforderung hinzu. Bereuen Sie es schon, den Job angenommen zu haben? Gernot Blümel: Keineswegs. ImGegenteil, es ist eine spannende Aufgabe, jetzt in dieser Phase Finanzminister zu sein. Natürlich haben wir alle uns das erste Halbjahr der Regierung anders vorgestellt, aber das trifft aktuell auf die Regierungen weltweit zu. Seit Beginn der Pandemie arbeiten wir in der Bundesregierung an Maßnahmen, um Gesundheit, Arbeitsplätze und Unterneh- men zu retten. Laut IWF liegt Österreich weltweit auf Platz elf und in Europa auf Platz zwei, was die budgetwirksamen Maß- nahmen betrifft. Es wurden europaweit massive Schutz- schirme für dieWirtschaft aufgespannt. Die Frage ist allerdings, ob diese und im Speziellen die bisher in Österreich gesetz- ten Maßnahmen aus derzeitiger Sicht reichen werden? In Österreich haben wir gleich zu Beginn der Krise einen Schutzschirm gespannt, der mittlerweile auf bis zu 50 Milliarden Euro gewachsen ist. Davon ist rund die Hälfte schon ausbezahlt. Österreich ist als Touris- mus- und Exportland besonders von der Krise betroffen. Auf europäischer Ebene haben wir uns deswegen intensiv für eine temporäre Aussetzung des Beihilfenrechts eingesetzt, leider ohne Erfolg. Zeiten der Krise dürfen nicht Zeiten der Bürokratie sein. Ich habe nicht den Eindruck, dass das überall in Brüssel angekommen ist. Wir haben etwa während des zweiten Lock- downs innerhalb von einer Woche einen 80-Prozent-Umsatzersatz für geschlossene Betriebe angekündigt, aufgesetzt und mehr als 4.000 Anträge angenommen. Leider sind die EU-Regeln hier so starr, dass von diesen Hilfen bereits erhaltene Hilfen abge- zogen werden müssen. Offenbar ist die Angst einiger weniger Bürokraten, dass es zu einer Überförderung kommt. Wenn man mit österreichischen Unternehmen spricht, haben die ganz andere Sorgen. Gilt immer noch die Aussage „Koste es, was es wolle“, die von Bundeskanzler Kurz am Beginn der Pandemie getätigt wurde? Wenn ja, wird Österreich sich das tatsäch- lich leisten können, und was bedeutet das für die nächsten Generationen, die diesen Schuldenberg irgendwann auch wieder abbauen müssen? Wir müssen weiterhin alles tun, um so vie- „ Alternative Anlageformen müssen attraktiver werden“ » Zeiten der Krise dürfen nicht Zeiten der Bürokratie sein. « Gernot Blümel, Finanzminister STEUER & RECHT Gernot Blümel | Finanzminister FOTO: © BMF | MICHAEL GRUBER 234 fondsprofessionell.at 4/2020

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