FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020

viral gegangen. Wir sind Gesprächsthema am Campus der lokalen Hochschulen, werden sogar in der Fußgängerzone ange- sprochen.“ In einem Clip spielt der promo- vierte Bankchef sogar die Hauptrolle.Dabei ruft er eine Bankmitarbeiterin an, die wäh- rend der Corona-Auszeit zu Hause imGar- ten sitzt – mit einemCocktail in der Hand. Hanker „bittet“ sie mit deutlichen Worten, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Das kommt bei den Usern gut an, mit 1,7 Mil- lionen Aufrufen ist es bislang das erfolg- reichste Video der Bank. „Bei Tiktok ist es einfach normal, dass man sich zum Affen macht“, so Hanker. Bei der jungen Ziel- gruppe wirke das jedoch nicht etwa unse- riös, sondern menschlich und sympathisch. „Vielleicht mag die Befürchtung eines Reputationsverlustes in Bezug auf die ältere Zielgruppe sogar berechtigt sein“, räumt der Bankchef ein. Will meinen: Auszüge aus dem Tiktok-Kanal könnten bei der eigenen, aber eben deutlich älteren Face- book-Community für ungläubiges Kopf- schütteln sorgen. „Doch diese zwei Welten berühren sich derzeit kaum“, sagt Hanker. „Was auf Facebook stattfindet, interessiert den Tiktok-User nicht und vice versa.“ Er scheint ein uneingeschränkter Fan des neuen Mediums zu sein und empfiehlt auch anderen Volksbanken, den Einstieg zu wagen. Auch Trumps Sorgen hinsichtlich des Datenschutzes teilt Hanker nicht. Er sieht die Debatte in erster Linie als poli- tisch getriebene Diskussion an. Neues Marketing Dass jetzt auch Banken das neue Medi- um entdecken, wundert die Verantwortli- chen des Videoportals, das seit Ende 2018 ein Deutschland-Büro mit über 50 Mitar- beitern in Berlin betreibt, nicht. „Tiktok för- dert Communities, die sich um kreative, authentische und positive Inhalte herum bilden – jenseits von Alter, Kultur,Ort oder Herkunft“, sagt Thomas Wlazik, der die Ver- marktung der Plattform in Deutschland verantwortet. „Tiktoks Zielgruppe sind die Millennials und die Gen Z.“Marken seien davon „begeistert“, auf Tiktok in Kontakt mit der Community zu treten. Neben der hessischen Volksbank sind et- wa auch die Hamburger Sparkasse und die Bremer Volksbank auf der Plattform vertre- ten.Und bei der Sparkasse Regensburg stel- len sich die neuen Auszubildenden in klei- nen Videos persönlich vor. In der Schweiz sind unter anderem die Migros Bank und Postfinance auf Tiktok zu finden. Die Banken nutzen das Medium, um die jugendliche Zielgruppe auf ihr Institut aufmerksam zu machen. Die Jugend nutzt die App intensiv: Allein imMonat Septem- ber hatte Tiktok europaweit insgesamt 100 Millionen aktive Nutzer. Und die achten auch auf die Firmen hinter den Videos, berichtet Wlazik. Die Nutzer hätten „gro- ßes Interesse daran,mit ihren Lieblingsmar- ken zu interagieren“. Die Kurzvideos böten den Unternehmen „eine Vielzahl an Mög- lichkeiten, eine neue, interaktive Form des Marketings zu schaffen“, so der ehemalige Google-Manager. Die jugendliche Community steht dem Engagement der Finanzinstitute bei Tiktok jedenfalls keineswegs ablehnend gegen- über. „Ich bin überrascht, dass Banken so etwas machen“, sagt die Schülerin Char- lotte. „Die meisten Jugendlichen würden nicht damit rechnen. Wenn die Tiktoks allerdings gut gemacht und die Themen gut verpackt sind, sprechen sie auch die jüngere Altersgruppe an.“ MARCUS HIPPLER ⁄ GEORG PANKL FP » Für die kommenden Kampagnen im Jugend- marketing werden wir auch extra Tiktok- Content produzieren. « Christian Hromatka, Erste Bank Tiktok gerät zum Spielball der Weltpolitik US-Präsident Donald Trump befürchtete, dass die chinesische Regierung über die Tiktok-App an die Daten amerikanischer Staatsbürger gelangen könnte, um sie zu Spionagezwecken einzusetzen. Deshalb unterzeichnete er im August eine Verordnung, die alle Geschäfte mit Bytedance, dem Mutterkonzern von Tiktok, un- tersagt: Falls das US-Geschäft von Tiktok nicht an ein amerikanisches Unternehmen verkauft würde, sollte die App ab Mitte September in den USA nicht mehr erlaubt sein. US-Konzerne wie Microsoft, Oracle und Walmart äußerten daraufhin Interesse an der Videoplattform. Gegen den angekündigten Download-Stopp der App erwirkte Bytedance jedoch eine einstwei- lige Verfügung am Gericht von Columbia. Trumps Verordnung, die sich auf Notstandsvoll- machten bei außerordentlichen Gefahren aus dem Ausland bezog, sei nicht rechtens . Diese Vollmachten gelten ausdrücklich nicht bei der Ein- und Ausfuhr von Informationsmaterial so- wie der persönlichen Kommunikation. Das Urteil bezog sich jedoch nur auf einen möglichen Download-Stopp, also den Neu- bezug der App. Ende Oktober entschied eine Richterin in Pennsylvania, dass auch die für November vorgesehenen Maßnahmen des US- Handelsministeriums nicht rechtens sind. Sonst hätte Bytedance keine Daten amerikanischer Tiktok-Nutzer mehr verarbeiten dürfen. fondsprofessionell.at 4/2020 231

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