FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020
wenn man es mit Freunden zusammen an- schaut“, berichtet die 15-jährige Schülerin Charlotte Weber aus Hilden. „Man kann davon unglaublich abhängig und süchtig werden.“ Dass Schüler viel Zeit mit der App verbringen, verwundert nicht, denn soziale Medien gehören mittlerweile zum Alltag der jungen Generation. Laut Schät- zungen der Digitalexperten des Blogs „Pay- ment und Banking“ sind rund 98 Prozent der 14- bis 19-Jährigen und rund 99 Pro- zent der 20- bis 29-Jährigen in sozialen Netzwerken aktiv. Neben dem Zeitvertreib gibt es bei Tik- tokmitunter jedoch auch Nützliches zu ent- decken. „Herr Anwalt“, ein Jurist aus dem deutschen Unna, veröffentlicht dort kurze juristische Erklärvideos, die mittlerweile zwei Millionen Follower anlocken. Trotz des derzeitigen Hypes um die App sieht die Schülerin aber auch Gefahren. „Es gibt sehr viel ‚Hate‘ in manchen Videos. Und Rassismus und Frauenfeindlichkeit ist ebenfalls auf Tiktok vorhanden, wie natür- lich auf anderen Social-Media-Seiten auch“, so die Gymnasiastin. Erste Bank mit eigenem Account Bei den österreichischen Kreditinstituten ist man noch zurückhaltend, was das The- ma Tiktok betrifft. So hat etwa die Erste Bank kürzlich einen Tiktok-Account ange- legt und die ersten Schritte dort gemacht. Allerdings befindet sich die Plattform in Österreich – speziell was die Werbeformate und -möglichkeiten angeht – noch teilwei- se im Roll-out-Modus, und es ist noch nicht alles in allen Varianten verfügbar. „Neben den noch nicht verfügbaren Wer- beformen ist der eingeschränkte Musikka- talog für Unternehmen noch ein Problem, um auf laufende Tiktok-Trends, die stark auf einzelnen Musiktiteln aufbauen, aufzu- springen. Deren Verfügbarkeit soll sich in den nächsten Wochen und Monaten aller- dings auch noch verbessern“, berichtet Christian Hromatka, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Erste Bank. Künftig möchte die Bank Tiktok speziell für kommende Kampagnen im Ju- gendmarketing, die auch bisher schon rein digital waren, nutzen und eigenen TikTok- Content produzieren. Erste Erfahrungen hat man laut Hromatka bereits mit dem Social-Media-#glaubandich-Film gemacht, wo im Rahmen des Drehs auch extra Tik- tok-Content produziert wurde. „Man muss hier bei der Produktion von Content auch völlg neu denken. Die Plattform ist sehr jung und hat teils ganz andere Mechani- ken, als man sie bisher kannte. Man sollte nicht zu viel vorproduzieren, sondern Tik- Tok ,belohnt‘ es, wenn man die Effekte und Produktionstools in der App direkt nutzt. Noch wichtiger als auf den meisten anderen Plattformen: Der Content muss extrem auffallen und wirklich in der ersten Sekunde mitreißen. Sonst fährt der Dau- men nach oben und das nächste Kurz- video erscheint“, so die Erfahrungen des Erste-Bank-Sprechers. Etwa weiter ist man bereits in Deutsch- land, wo die Volksbank Mittelhessen seit Juni 2020 mit dem Account @vbmittelhes- sen auf dem Portal aktiv ist. „Je verrückter, desto besser“ lautet das Motto der Genos- senschaftsbanker. Die Videos sind entspre- chend gestaltet. Sie zeigen beispielsweise Mitarbeiter der Bank beim gemeinsamen Rudern auf dem Boden des Büroflurs oder in einem gefakten Beratungsgespräch, bei dem man – mit einem Lächeln – eine Kundin auf die Schippe nimmt. In einem anderen Clip zieht ein Kollege vor laufen- der Kamera sein Hemd aus und zeigt seine Tattoos.Der Auftritt kommt an: In den ers- ten drei Monaten gewann das Institut über 17.800 Follower, Tendenz steigend. „Mit Tiktok erreichen wir überdurchschnittlich viele junge Menschen. Das gelingt uns auf keinem anderen digitalen Kanal. Über die klassischen Medien wie Hörfunk oder Print erst recht nicht“, sagt Peter Hanker, Vorstandschef der Volksbank Mittelhessen. „Tiktok ist das Medium der Generation Z und unsere große Chance, dieser inter- essanten Zielgruppe zu zeigen, dass eine regionale Genossenschaftsbank alles andere als verstaubt und altbacken ist.“ Wenig Aufwand Dabei halten sich die Kosten für den eigenen Kanal in Grenzen. Für die instituts- eigenen Facebook- und Instagram-Seiten wird mehr Aufwand betrieben. „Es gibt ein Tiktok-Handy, das wir unseren aktiven Tiktokkern abwechselnd zur Verfügung stellen“, berichtet Hanker. „Teils werden die jungen Kolleginnen und Kollegen stun- denweise freigestellt. Meist drehen sie aber einfach nebenher, oft in ihrer Freizeit. Im Ergebnis gab es noch keine 1.000 Euro an Kosten für die Bank.“ Der quirlige Vorstandschef, der für ein Werbevideo auch mal in einem alten VW Bully durch die Lande reist, um seine Kun- den zu besuchen, lobt die Idee, die aus dem Kollegenkreis kam. „Das Feedback unserer Kunden ist zu 99 Prozent positiv“, sagt er. „Die Beiträge werden zum Teil mil- lionenfach angeklickt.Mehrere Videos sind » Tiktoks Zielgruppe sind die Millennials und die Gen Z. « Thomas Wlazik, Tiktok BANK & FONDS Tiktok 230 fondsprofessionell.at 4/2020 FOTO: © TIKTOK, ERSTE BANK
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