FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2020

Stefan Tacke, Geschäftsführer der Einlagensicherung Austria (ESA) , sprach mit FONDS professionell über ein turbulentes Jahr. Nach zwei Bankpleiten kehrt nur bedingt Ruhe ein. Eine Amts- haftungsklage gegen die Republik ist in Arbeit, wie Tacke verrät. S eit dem Fall der Trigon Bank im Jahr 2001 ist in Österreich die Einlagen- sicherung nicht mehr zum Einsatz gekom- men. Heuer brachen jedoch gleich zwei Banken zusammen: imMärz die mit Geld- wäschevorwürfen konfrontierte Anglo Austrian AAB und im Juli die burgen- ländische Commerzialbank Mattersburg, deren Bilanz großteils erfunden war. Für die 2019 neu aufgestellte Einlagen- sicherung Austria (ESA) war dieses geballte Aufkommen eine Bewährungsprobe. Die ESA löste die alten sektoralen Sicherungs- netze ab. Alle Banken sind Mitglied außer den Sparkassen, die ihre eigene Sicherung haben. Egal ob ESA oder Sparkassen: Bei einer Pleite sind bis zu 100.000 Euro ge- schützt, in Ausnahmefällen 500.000. Herr Tacke, fast zwei Jahrzehnte gab es keinen Einlagensicherungsfall und nun zwei in einem Jahr. Wie geht’s Ihnen? Stefan Tacke: Uns geht’s sehr gut. Obwohl es die ESA in dieser Form noch nicht sehr lang gibt, haben wir aus dem Stand heraus zwei völlig unterschiedliche Sicherungsfälle abgewickelt, noch dazu unter Bedingun- gen der Corona-Pandemie. Bei der Anglo Austrian Bank, der ehemaligen Meinl Bank, hatten wir für zwei Tage vor Ort ein Servicecenter. Dann kam der Lockdown. Wir haben die Entschädigung weitgehend von zu Hause aus abgewickelt. Worin unterscheiden sich AAB und Com- merzialbank aus Sicht der Einlagensiche- rung? Die AAB war zum Schluss eine reine Wert- papierbank. Der allergrößte Teil der zu ent- schädigenden Konten waren Wertpapier- verrechnungskonten. Es gab fast keine Girokonten. Der Druck der Kunden, zum Geld zu kommen, war geringer. Es trudeln immer noch Anfragen ein, weil unser Brief aus demMärz erst jetzt geöffnet wurde. Bei der Commerzialbank gab es hingegen viele schwere Schicksale.Wie viel bekommt die Einlagensicherung davon mit? Die Commerzialbank war wirklich die Haus- und Hofbank des Bezirks Matters- burg. Von der einen Stunde auf die andere konnte man mit der Bankomatkarte nicht im Supermarkt oder an der Tankstelle bezahlen, die Miete wurde nicht mehr ab- gebucht. Da stand das finanzielle Leben still. Es gab einen höheren Anteil älterer Kunden, die die Entschädigung nicht online bewältigen können. Daher haben wir sofort eine Servicestelle in Zemendorf eingerichtet. Diese Filiale war ein Wunsch der Polizei, weil sie am besten bewachbar und etwas isolierter ist. Aber es ist nicht zu Emotionen gekommen. Bei der Commerzialbank ist der größte Teil der Gelder ausbezahlt. Wie viele Fälle sind noch strittig? Eine Person hat zumBeispiel eine sechsstellige Pensionszahlung auf ein Sparbuchweiter überwiesen – laut ESAeine bewusste Anlageentscheidung, wodurch der Anspruch erlischt, den erhöhten Betrag bis 500.000 Euro im Rahmen der „beson- deren Umstände“ zurückzubekommen. Solche Fälle sind eigentlich alle entschie- den.Was aber nicht ausschließt, dass einige „Wir können Pleiten weiter leicht stemmen“ » Von der einen Stunde auf die andere konnte man mit der Bankomat- karte nicht im Super- markt bezahlen. « Stefan Tacke, Einlagensicherung BANK & FONDS Stefan Tacke | Einlagensicherung FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN 222 fondsprofessionell.at 4/2020

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