FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2020

Sie haben stets 50 Titel in Ihrem Portfolio, diemit jeweils zwei Prozent gewichtet sind. Ergeben sich aus dieser Gewichtung Vor- und Nachteile? Ich bin davon überzeugt, dass bei vielen dieser Titel Marktteilnehmer investiert sind, die noch nicht ganz so nachhaltig agieren und stark auf Nachrichten wie Quartals- zahlen reagieren. An dieser Stelle fällt mir etwa Wessanen ein: Dabei handelt es sich um einen niederländischen Biolebensmit- telerzeuger, in den wir in der Vergangen- heit investiert waren. Der Titel stieg in der Zeit von sechs auf 18 Euro, aufgrund von zwei etwas schwächeren Quartalen fiel der Wert dann kurzzeitig wieder auf acht Euro. Gerade im Small- und Mid-Cap-Bereich ist diese halbjährliche Rebalancing-Strategie daher sinnvoll, weil der Markt relativ stark schwankt.Wir konnten auf diese Weise im- mer Gewinne mitnehmen, aber dennoch langfristig investiert bleiben. Manche Titel hätten sonst mittlerweile ein Gewicht von sechs Prozent, und das wollen wir nicht. Die Rebalancing-Strategie ist auch ein wichtiger Teil unseres Risikomanagements. Wie hat diese Rebalancing-Strategie in der Covid-19-Krise funktioniert? Seit Auflage unserer Strategie haben sich die Titel innerhalb unseres Portfolios noch nie so unterschiedlich entwickelt. Das war durch die sektorspezifischen Merkmale der jüngsten Krise besonders spürbar. So stieg der beste Titel in unserem Portfolio seit Jahresbeginn um 56 Prozent, während der schwächste ein Minus von 70 Prozent hin- nehmen musste. Gerade bei Titeln, die massiv an Wert verloren haben, muss aller- dings wirklich gut überlegt werden, ob ein Rebalancing durchgeführt und die Posi- tion wieder auf zwei Prozent des Fonds- volumens aufgestockt wird. Das ist aber die gewollte Härte uns selbst gegenüber. Ist man also wirklich überzeugt oder nicht? Wir wollen „High Conviction“ und gleichzeitig langfristiger Investor sein. Opportunistisch zu agieren, halte ich für gefährlich. Worin besteht die Gefahr? Besonders die aktuelle Krise hat gezeigt, dass opportunistisches Handeln mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Fehlentscheidungen führt. Viele Marktteilnehmer haben zu einem späten Zeitpunkt in defensive Titel wie Telekom-Werte und Healthcare-Titel umgeschichtet. Diese sind zwar nicht so stark gefallen und konnten sich schnell erholen, seitdem stagnieren die Kurse aber eher. Und ein anderes ganz klassisches Covid-Beispiel: Beim Unternehmen Essity, einem großen Hersteller von Hygiene- papier, schossen die Umsätze kurzfristig nach oben, weil die Menschen bekannter- maßen anfingen, Klopapier zu horten. Aber wegen der Krise geht niemand häu- figer auf die Toilette als sonst, die Firma kann ihre Umsätze also auf lange Sicht auf- grund dieser Krise nicht steigern. Als Inves- tor zu glauben, dass ein kurzfristiger Um- satzanstieg zwingend zu einemGewinnan- stieg führt, ist aus meiner Sicht falsch. Oft kann ein kurzfristiger Umsatzanstieg, der durch externe Effekte zustandekommt, so- gar gefährlich werden, da die Gewinnmar- gen auch unter Druck kommen können. fondsprofessionell.at 3/2020 73

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