FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2020

D er Börsengang des Cloud-Datenbankanbie- ters Snowflake sorgte für Schlagzeilen. Ers- tens verdoppelte sich der Kurs am Tag des Bör- sengangs, Erstzeichner zahlten 120 US-Dollar, der Einstandskurs lag bei 245 US-Dollar. Zweitens hat Warren Buffetts Berkshire Hathaway in den Titel investiert und mit dem IPO eine flotte Mil- liarde US-Dollar verdient, obwohl die Beteili- gungsgesellschaft traditionell eher keine Wachs- tums- und Technologietitel kauft. Solche Geschichten lenken das Publikums- interesse unweigerlich in Richtung Einzelaktien. Viele Berater be- richten, dass immittleren und oberen Kundensegment häufig der Wunsch nach dem Kauf von Einzeltiteln geäußert wird.Das ist hei- kel, denn spricht man sich gegen den Kauf einer Aktie aus, die danach einen Höhenfl d d ug startet,wird der Anleger unzufrieden sein. Wer das Problem hat, dass Kunden derlei Einzelwetten eingehen wollen, sollte sich daher auf wissenschaftliche Arbeiten berufen, die untersucht haben, wie die Chancen einzelner Aktien tatsächlich aussehen. Der Aktienmarkt ähnelt dem Venture-Capital-Geschäft nämlich viel mehr, als man annehmen würde. Wer in Start-ups investiert, weiß, dass nur ein bis zwei von 100 den großen Durch- bruch schaffen. Eine US-Analyse von 21.000 Venture-Finanzie t - rungen ergab für den Zeitraum von 2004 bis 2014, dass bei 65 Pro- zent am Ende Geld verloren wurde, 2,5 Prozent konnten das Anlegergeld um das zehn- bis 20-Fache vermehren und nur ein Prozent schaffte mehr als das 20-Fache. Das Problem: Am Start er- schienen die Chancen der 21.000 Unternehmen ziemlich ähnlich. Bei börsennotierten Unternehmen sieht die Verteilung viel günsti- ger aus – glaubt man. Der Autor Morgan Housel zitiert in seinem Buch „The Psychology of Money“ eine Analyse von J. P. Morgan, die den Russell 3000 Index ab 1980 hinsichtlich der Renditeverteilung untersuchte. Das Ergebnis: 40 Prozent der Papiere verloren zumindest 70 Prozent ihres Wertes und erholten sich auch nie, der gesamte Indexanstieg über den Beobach- tungszeitraum stammt von sieben Prozent der darin enthaltenen Aktien. Eine andere Untersu- chung von 14.455 Aktien und ihrem relativen Abschneiden gegenüber dem S&P 500 Index von 1989 bis 2015 ergab ein ähnliches Bild: 7,7 Prozent der Papiere, also rund 1.100 Aktien, schlugen den Index in dieser Zeit um 500 Prozent oder mehr. Rund 12.400 entwickelten sich in etwa wie der Index, und fast 1.000 blieben massiv zurück. Auch die 2017 veröffentlichte Studie „Do Stocks Outperform Treasury Bills?“von Hendrik Bessembinder von der Arizona State University errechnete die Renditeverteilung aller US-Aktien zwischen 1926 bis 2016: Demnach hatten 58 Pro- zent der insgesamt rund 26.000 Dividendenwerte während ihrer Existenz eine geringere Rendite als 1-Monats-Treasury-Bills. Als Fondsinvestor wird man nie so viel verdienen wie die Anleger, die Tesla-Aktien beimBörsengang gekauft und bis heute gehalten haben, man kann aber auch die Wirecard-Story entspannter verfolgen. Wir hoffen, dass Sie von den Auswirkungen der Corona- Pandemie verschont wurden, und hoffen, Sie Ende März auf dem 23. FONDS professionell KONGRESS begrüßen zu dürfen. FP Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi Finger weg von Einzelaktien Spektakuläre Höhen- flüge einzelner Aktien wecken auch bei Privatanlegern Be- gehrlichkeiten. Man sollte ihnen trotzdem Fonds nahelegen. MEINUNG Brief der Herausgeber 4 fondsprofessionell.at 3/2020 FOTO: © MARLENE FRÖHLICH | LUXUNDLUMEN

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