FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2020

Außerdem zeigen sie sich offener gegen- über neuen Technologien“, sagt Drygala. Status quo Das Verhältnis von Promotoren zu De- traktoren im Kundenstamm einer Bank scheint von Institut zu Institut unterschied- lich zu sein. Nach Ansicht der Studienau- torin sind einige Banken besser aufgestellt als andere. „Erfahrungsgemäß schneiden Direktbanken wie Comdirect, DKB und ING bei der Weiterempfehlung gut ab. Dies kann zum einen an vergleichsweise geringeren Gebühren solcher Anbieter lie- gen. Gleichzeitig erhöhen sie aber auch durch neue Onlineangebote die Konve- nienz für die Kunden und schaffen so positive Kundenerlebnisse“, erklärt die Expertin. Auch die Commerzbank besitze aufgrund der Zusammensetzung ihrer Kundenbasis einen natürlichen Vorteil und werde öfter weiterempfohlen. Um die neu gewonnene Erkenntnis in die Praxis umzusetzen, empfiehlt Drygala den Instituten erst einmal, den Status quo durch Kundenbefragungen zu ermitteln. „Wer sind meine Kunden? Wie zufrieden und gebunden sind sie? Wie ist die Weiter- empfehlungsbereitschaft aktuell ausge- prägt? Warum könnte Zurückhaltung beim Kunden herrschen?“, nennt Drygala einige Fragen. Es sei wichtig, dass Banken ihre Kunden und deren Bedürfnisse ver- stehen. Auf Grundlage solcher Erkenntnis- se könnten dann Angebote und Kontakt- punkte optimiert und so positive Kunden- erlebnisse geschaffen werden. Alter Wein? Vertriebstrainer Gisbert Straden aus Pots- dam steht dem neuen Ansatz zwiegespal- ten gegenüber. „Da ist sicher etwas dran – aber eben auch nichts Neues“, sagt er. Alter Wein in neuen Schläuchen? „Es ist eine gute Idee, im Rahmen einer Studie diese Dinge genauer unter die Lupe zu nehmen. Auch ist es sicher spannend – und als her- vorragendes Alibi für Vorstände und sonsti- ge verantwortliche Manager in Bankhäu- sern geeignet –, nachweisen zu können, dass man alles getan hat, um das Thema Empfehlung in der Tiefe zu erfassen“, so Straden. Im Retailbanking lasse sich damit eine gewisse Masse erfassen und abgreifen. „Aber sobald wir uns im höherwertigen Banking bewegen – etwa im Firmen- kundengeschäft oder Private Banking – helfen Ihnen diese Studien meines Erach- tens nichts“, meint der Vertriebsexperte. „Durch eine solche Studie haben Sie bisher noch nicht eine Empfehlung bekommen.“ Dennoch gilt auch Straden für Banken die Empfehlung nach wie vor als Königs- weg bei der Kundengewinnung. „Hier gibt es einen Vertrauensvorschuss“, betont er. „Hier gibt es einen Promoter, der das Haus bestens kennt und in vielen Fällen bereit ist, sich mit Freunden oder Geschäftspart- nern über seine Gedanken zu diversen Themen rund ums Banking auszutauschen – wenn auch nicht unbedingt auf der Detailebene, aber auf der Ebene der erleb- ten Betreuung oder der Kommunikation.“ Bewegte Zeiten Auch Wolfgang Steinhaus, selbstständi- ger Finanzberater für die Deutsche Bank aus Rösrath bei Köln, nutzt Empfehlungen. Er setzt neben der persönlichen Ansprache auf digitale Medien. „Ich arbeite regelmä- ßig mit Weiterempfehlungen und spreche dabei zufriedene Kunden an. Zudem bin ich auch digital unterwegs“, so Steinhaus. „Die Menschen informieren sich in vielen Fällen zunächst online und entscheiden sich dann für eine Bank oder einen Finanz- berater. Deshalb bin ich auch mit einem eigenen Eintrag auf dem Bewertungsportal Whofinance vertreten.“ Auf dem Portal sind derzeit rund 85.000 Finanzberater registriert, die von Kunden bewertet wur- den. Da Steinhaus mit 4,8 von fünf mögli- chen Sternen dabei gut abschneidet, erhält er über diesen Weg einige Anfragen von potenziellen Interessenten – auch und gerade in diesen bewegten Zeiten. Diese Erfahrung macht auch Vertriebs- coach Straden. Er empfiehlt Beratern, gera- de in unruhigen Zeiten aktiv zu werden. „Verunsicherung führt dazu, dass man sich verstärkt mit Menschen aus seinem Um- feld austauscht, um deren Meinung zu hören, einen Rat zu bekommen oder um seine eigene Einschätzung zur Sachlage quer zu checken. Bei diesen Gelegenheiten spricht man auch darüber, wie die eigene Bank erlebt wird und wie man sich dort aufgehoben fühlt“, so Straden. Dieser Mechanismus wirke gerade in Krisenzeiten. „Je tiefer die Krise, desto größer die Ver- unsicherung, desto aktiver tauschen sich Menschen aus“, erklärt der Coach. Straden zufolge sind die Menschen gera- de auf der Suche nach Orientierung und Sicherheit. „Nehmen Sie die Lufthansa oder auch Wirecard: Wir dürfen davon ausgehen, dass noch nie so viel über das Thema Finanzindustrie, Vertrauen, Verluste, Anlage gesprochen wurde wie im Augen- » Promotoren sind in Sachen Finanzen aktiver und haben auch weniger Angst. « Katja Drygala, Yougov fondsprofessionell.at 3/2020 251

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