FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Foto: © mantinov | stock.adobe.com, B&T D ie Coronakrise traf die Weltwirtschaft und damit die Kapitalmärkte mit einer aus der Sicht der heute lebenden Generationen beispiellosen Wucht und in einer Breite, von der nahezu keine Sparte verschont blieb. Wirtschaftsexperten aus unterschiedlichsten Bereichen – angefangen von den Universitäten über Wirtschaftsfor- schungseinrichtungen bis hin zu den Ökono- men der Banken und Fondsanbieter – versu- chen in diesen Tagen das volle Ausmaß der Folgeschäden zu berechnen, aufgrund der anhaltenden Unsicherheit bleibt dies aber äußerst schwierig, festzustehen scheint nur eines: Rasch wird sich die Weltwirtschaft von diesem Rückschlag nicht erholen, das heißt allerdings nicht, dass nicht die Kapitalmärkte einer positive Entwicklung vorauseilen könn- ten – tatsächlich ist dies ja bereits im Verlauf des Monats April passiert. Risikohinweis? Aus der Sicht der Finanzberatung wirft diese Krise einige ganz spezielle Fragen auf. Es geht dabei sowohl um Kunden, die auf- grund von Panikverkäufen bereits reale Ver- luste erlitten und realisiert haben, als auch um Anleger, die weiter investiert sind. Wie die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Anlegerschäden im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 gezeigt hat, stellen sich Anleger nach erlittenen Ver- lusten oftmals die Frage: Wurde ich über das Risiko aufgeklärt, das für meinen Verlust ver- antwortlich ist? Auf den ersten Blick scheint die Vorstellung skurril, dass Anleger ihren Vermögensberatern eine unterbliebene Auf- klärung über eine mögliche Virus-Pandemie vorwerfen könnten. Allerdings musste der OGH in der Vergangenheit auch schon darüber entscheiden, ob Anlageberater nicht darüber aufklären müssten, dass die Schwei- zer Notenbank eine von ihr implementierte EUR/CHF-Kursstütze widerrufen kann. Eine behauptete Warnpflicht der Anlageberater vor der Coronakrise oder einer vergleichbaren Krise scheint daher auf den ersten Blick durchaus denkbar. Der OGH hat sich mit die- ser Frage noch nicht beschäf- tigt, weil bis dato Pandemien noch keine vergleichbaren Kursstürze ausgelöst haben. Bereits existierende Recht- sprechung lässt aber hilfrei- che Schlüsse zu: So musste sich der OGH schon regel- mäßig damit befassen, ob denn jedermann bekannte, dem allgemeinen Lebensrisi- ko zurechenbare Umstände aufklärungspflichtig sind. Da- zu zählt nach der Judikatur etwa die Möglichkeit, dass bei Dritten veranlagte Gelder unterschlagen oder veruntreut werden. Diesbezüglich gibt es in der Rechtsprechung eine klare Tendenz – dieses Risiko muss jedem Durchschnitts- menschen bewusst sein, man- gelnde Aufklärung darüber ist in der Regel noch keine Fehl- beratung. Auch das Risiko einer Virus-Pandemie wird wohl als ein solches jedermann bekanntes allgemeines Lebensrisiko zu qualifizieren sein. Darüber hinaus ist es unabhängig von der jeweiligen Dienstleistung beziehungsweise einem poten- ziellen Investmentgegenstand. Anderes gilt dort, wo das Risiko einer Pan- demie nicht als allgemein volkswirtschaftli- ches „Damoklesschwert“ über der Anlage- möglichkeit schwebt, sondern diese speziell betrifft. Denn imWertpapieraufsichtsgesetz ist vorgesehen, dass der Kunde die Risiken der Anlageberatung und des speziellen Typs von Finanzinstrumenten verstehen muss und der Anlageberater die notwendigen Informationen erteilen muss. Dass die Corona-Pandemie für einzelne Finanzinstrumente ein „spezielles Risiko“ im Sinne der gesetzlichen Vorschrif- ten ist, erscheint denkbar, etwa bei Unter- nehmen aus dem Gesundheitsbereich, deren Aktien momentan enorm überbewertet sein können, oder bei Cat Bonds, mit denen Risi- ken von Naturkatastrophen wie eben auch Gesundheitskrisen verbrieft werden. Anlageberatern stellt sich angesichts der Coronakrise die Frage, ob in Zeiten wie diesen besondere Pflichten für sie gelten. Ein Überblick. Pandemie -Warnpflicht? Das Coronavirus hält Österreich nach wie vor in Atem. Es gibt keine Branche oder kein Berufsbild, die von der Krise verschont bleiben – auch die Anlageberatung nicht. 254 www.fondsprofessionell.at | 2/2020 steuer & recht I coronakrise

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