FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Foto: © Günter Menzl E rnst Brandl wechselte im Jahr 1999 die Seiten, als er die Bun- deswertpapieraufsicht verließ und gemeinsam mit Thomas Talos eine Rechtsanwaltskanzlei gründete. 20 Jah- re lang vertrat der Jurist seither Banken, Versicherungen, Finanzvertriebsunter- nehmen und einzelne Finanzberater vor Gericht, häufig wenn sie von Kunden belangt wurden und in Verfahren gegen die FMA; Mandate von Anlegern, die sich falsch beraten oder geschädigt sahen, nahm er dabei nie an. Brandls Know-how steckt heute auch in einer Unzahl von Geschäftsbedingungen und Verträgen heimischer Finanzdienstleis- ter, was diesen ein hohes Maß an Rechtssicherheit garantiert. In den einschlägigen Rankings rangiert Brandl seit Jahren bei den Themen Banken- und Kapitalmarktrecht meist als die Nummer eins in Österreich. Anlässlich des FONDS professionell KONGRESS 2020 kündigte er in einem letzten Vortrag an, seine Gesellschaf- ter- und Geschäftsführerfunktion in der Kanz- lei Brandl & Talos zurückzulegen und seinen Mandanten in Zukunft primär beratend zur Seite stehen zu wollen. Im Gespräch erklärt er seine Beweggründe. Herr Dr. Brandl, dass Sie nach zwei Jahrzehnten mehr im Hintergrund arbeiten wollen, ist für die heimische Finanzbranche fast so etwas wie ein Schock. Wie kam es zu dieser Entschei- dung? Ich war – meine Konzipientenzeit einge- schlossen – 25 Jahre sieben Tage in der Wo- che rund um die Uhr für meine Mandanten verfügbar, habe sie gegen rund 15.000 Gegner vor Gericht vertreten, unzählige Verfahren vor der und gegen die FMA geführt und zahl- reiche Aufsätze und Bücher – meist mit Ko- autoren – verfasst; die vielen Vorträge, die ich gehalten habe, bleiben ungezählt. Zuletzt wur- den aber Themen und Causen, die etwas ra- dikal Neues und Spannendes mit sich brach- ten, immer seltener, und ich war immer öfter unzufrieden und demotiviert. Da wusste ich, dass es Zeit war, etwas anderes zu machen. Wenn man für eine Sache nicht mehr brennt, soll man damit aufhören. Sie haben Österreichs Finanzlandschaft aus der Sicht einer Aufsichtsbehörde kennen gelernt und danach 20 Jahre lang als Jurist beraten. Wie beurteilen Sie die generelle Entwicklung des Mark- tes in diesen zwei Dekaden? Wir haben in der Kanzlei alles miterlebt, was man in der Finanzindustrie erleben kann: die Kanzlei drei Monate vor dem Platzen der Dotcom-Krise gegründet, als jeder davon ge- sprochen hat, dass es ab nun nur mehr auf- wärts gehen kann; dem Boom der Nuller-Jah- re folgte die Finanzkrise 2009 und dem Bul- lenmarkt der letzten paar Jahre die Corona- Epidemie. Als Berater hatten wir das Glück, wie ein Hedgefonds zu funktionieren: wenn es bergauf gegangen ist, haben wir die Man- danten bei der Expansion begleitet, und in Bärenmärkten haben wir sie gegen klagende Kunden vertreten. Für uns war es natürlich günstig, dass es immer wieder Unternehmer gab, die die Grenzen des Machbaren ausge- testet haben und – leider für sie meist danach – juristische Beratung brauchten. Marktteilnehmer sind kreativ, wenn es darum geht, möglichst viel Geld zu ver- dienen. Gepaart mit der Unerfahrenheit und der Gier der Kunden sowie den weltwirtschaftlichen Rahmenbedingun- gen, ist das freilich oft ein explosives Gemisch. Überlebt haben jene Unter- nehmen, die es geschafft haben, die langfristige Kundenbindung über den kurzfristigen Gewinn zu stellen. Sie haben wiederholt die Praxis der Finanzmarktaufsicht kritisiert, vor allem die betroffenen Unternehmen betrachten sich selbst als „überregu- liert“. Würden Sie dem zustimmen? Na ja, für die Überregulierung kann man sich weniger bei der FMA als beim Gesetzgeber auf europäischer und nationaler Ebene beschweren. Regulierung resultiert aus dem Irrglauben, dass man durch Vorschriften das Verhalten der Marktteilnehmer zum Bes- seren steuern kann, ohne den Markt negativ zu beeinflussen. Besonders empörend finde ich in diesem Zusammenhang die jüngsten Forderungen der Politik und der Medien, die Banken sollten doch in der Krise Kredite schneller und „unbürokratisch“ vergeben, obwohl der Gesetzgeber die Banken seit der Finanzkrise jedes Jahr mehr gezwungen hat, die Kreditvergabe immer mechanischer durch Algorithmen des Risikomanagements zu bü- rokratisieren. Da haben die Gerichte – Stich- wort: Untreue – auch ihren Beitrag geleistet. Sie kennen viele Finanzberatungsunter- nehmen und Banken aus jahrelanger Zusammenarbeit – wo sehen Sie in der Branche selbst die am häufigsten ge- machten Fehler? Der häufigste Fehler ist sicher die durch Gier getriebene kurzfristige Perspektive. Wie ge- sagt: Es haben die langfristig überlebt, die den Kundennutzen in den Vordergrund gestellt und für ihre KundInnen eine langfristige Stra- tegie entwickelt haben. Das, gepaart mit der Dr. Ernst Brandl zählt zu den führenden Kapitalmarkt- und Bankrechtsexperten des Landes. Ende Februar gab er bekannt, dass er als Partner der Kanzlei Brandl & Talos zurücktritt und sich in Zukunft verstärkt dem Umweltschutz widmen will. FONDS professionell sprach mit ihm über seine Beweggründe und seine Bilanz. „ Aufhören , wenn man für eine » In den vergangenen Jahren häufen sich die Fäl- le, in denen die FMA ihren Rechtsunterworfenen sagt, dass sie selbst wissen müssten, wie sie die sehr unbestimmten Gesetze interpretieren sollen. « Dr. Ernst Brandl steuer & recht I dr. ernst brandl | brandl & talos 250 www.fondsprofessionell.at | 2/2020

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