FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Foto: © Erste Bank, Capital Bank, LLB Ö, Kathrein, Hypo Tirol, D ie Coronakrise trifft die europäischen Private-Banking-Anbieter in einer oh- nehin schwierigen Zeit.Viele Institute kämpfen mit steigenden Kosten und einer sin- kenden Gewinnspanne. In Westeuropa gehen die Margen laut einer Untersuchung der Un- ternehmensberater von McKinsey seit fünf Jahren zurück. Dieses Bild könnte sich ange- sichts der aktuellen Pandemie nun weiter ein- trüben. FONDS professionell wollte daher von heimischen Private-Banking-Anbietern wissen, wie sie bisher durch die Krise gekom- men sind. Insgesamt neun Gesellschaften wurden dazu befragt (siehe Tabel- le). Dabei zeigt sich, dass bei den meisten Banken der Wertpapier- absatz trotz der volatilen Markt- lage nicht eingebrochen ist, ei- nige berichten sogar von Zu- wächsen. Schließlich sind sich die Profis einig, dass trotz der ho- hen Volatilität langfristig an Aktienin- vestments zum Vermögenserhalt kein Weg vorbei führt. So erklärt Michael-Karl Sulz- bacher, Leiter Private Banking bei Raiffeisen Attersee: „Die Umsätze waren in den letzten Wochen überdurchschnitt- lich, wobei die Käufe überwogen.“ Anschei- nend dürften viele An- leger die Marktphase für Zukäufe imAktien- bereich genutzt haben. „Die meisten unserer Kun- den haben ob der gänzlich neuen und unvorhergesehene CoV-Situation keine Strategieänderungen in ihren Portfolios vorgenommen und die Tiefst- stände in der zweiten Märzhälfte genützt, um Offen gefragt: Im Krisenmodus Umfrage unter Private-Banking-Anbietern Inwieweit hat sich die Corona- krise bisher auf Ihre Arbeit und den Absatz im Wert- papiergeschäft ausgewirkt? Wie haben Ihre Kunden auf die Coronakrise reagiert? Wie hat die Kommunikation mit Ihren Kunden funktioniert? Was haben Sie Ihren Kunden in den vergangenen Wochen empfohlen? Christian Sajowitz, Leiter Private Banking, Capital Bank Wir haben die erste Phase dieser Krise gut bewältigt. Das geänderte Umfeld musste in Einklang mit den Vermögens- zielen, vorhandenen Ressourcen und dem gewünschten und ver- kraftbaren Risiko gebracht wer- den. Wir machen keine Progno- sen, passen aber Portfolios an geänderte Umstände an. Nach einer anfänglichen Schockstarre auf Kundenseite spüren wir mittlerweile sehr viel Aktivität im Markt. Mit der DADAT haben wir einen Online Broker, der gerade jetzt mit 200 neuen Kunden pro Tag von der Krise profitiert. Das Geschäftsmodell ist beratungs- frei, standortungebunden und vor allem digital. Angst und Sorge – sei es priva- ter oder beruflicher Natur, haben unsere Kunden in unterschied- lichem Ausmaß begleitet. In einem solchen Moment ist Kommunikation das wichtigste Werkzeug. Nebst aller verständ- lichen Emotion ist unsere Auf- gabe, die Situation klar und strukturiert zu diskutieren. Am Ende des Tages haben fast alle Kunden ihren langfristigen Plan bestätigt und gemeinsam mit uns besonnene Entscheidungen getroffen. Zu Beginn der Krise haben wir zum Telefonhörer gegriffen und alle unsere Kunden kontaktiert. Die aktuelle virusbedingte Iso- lation hat natürlich als Brand- beschleuniger bei der Digitalisie- rung gewirkt. Unsere Beratung findet mittlerweile häufig online als „Videotalk“ statt. Spezialisten werden vom Berater einfach in den Call hinzugenommen. Port- foliorelevante Informationen fin- den unsere Kunden rasch über die „Web-App“ der Capital Bank. Kommunikation läuft über den Faktor Zeit: sich Zeit zu nehmen, wo es erforderlich und ge- wünscht ist, aber auch durch effiziente Informationsweiter- gabe Zeit zu sparen. Die Zeit zu nutzen, die persönli- chen Anlageziele zu hinterfragen und nötigenfalls anhand dieses realen Stresstests Stellschrau- ben neu zu stellen. Gerade sol- che Krisen geben auch veran- lagungsseitig tiefen Einblick in unser Seelenleben. Unsere Kernstrategie in der Vermögens- verwaltung hat sich bewährt. Mit unserem hauseigenen Aktien-Scoring haben wir nur die beste Qualität an Unter- nehmen herausgefiltert. Firmen, die ein Shutdown nicht so leicht umwerfen kann. Investiert zu bleiben und nicht mit Market- Timing zu hasardieren. Roland Jacubetz, Leiter Private Banking, Erste Bank Gerade in diesen herausfordern- den Zeiten ist es besonders wichtig, jederzeit für unsere Kunden da zu sein – egal wann, wie und wo. Die letzten Wochen waren deshalb auch von zahl- reichen intensiven Gesprächen geprägt. Anhand von möglichen Szenarien nach Corona bespre- chen wir die individuelle Kun- densituation und finden gemein- sam eine optimale Lösung. Da die meisten Kunden einen sehr langen Veranlagungs- horizont haben, bewahrt ein Großteil Ruhe, nur wenige haben Wertpapiere abverkauft. Zukäufe spielen sich hauptsäch- lich im Bereich von Qualitäts- aktien und gut diversifizierten Fonds ab. Große Zuwächse gibt es bei uns in der Vermögens- verwaltung, da professionelles Management in dieser Zeit besonders wichtig ist. Auch in diesen schwierigen Zei- ten sind unsere Private Banker für unsere Kunden wie gewohnt erreichbar – persönliche Ter- mine finden unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen in Ausnahmefällen statt, wenn von Kunden gewünscht. Die über- wiegende Mehrheit der Kunden bevorzugt aber eine Beratung per Telefon, und die meisten Dinge können auch problemlos elektronisch erledigt werden. Wir empfehlen, die Veranlagung in professionelle Hände zu legen, in Tranchen zu investieren sowie durch regelmäßige Zuzahlungen den Cost-Average- Effekt optimal nutzen, da es unmöglich ist, den idealen Ein- stiegszeitpunkt zu treffen. Viele Kunden entscheiden sich daher für eine unserer Vermögens- verwaltungslösungen, die ver- hältnismäßig gut durch die Krise gekommen sind. ? FONDS professionell hat neun Private-Banking-Anbieter zu den Auswirkungen der Coronakrise befragt. Der befürchtete Geschäftseinbruch blieb bis dato aus. 244 www.fondsprofessionell.at | 2/2020 bank & fonds I private banking

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