FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Foto: © MArlene Fröhlich S eit demAusbruch der Corona-Pande- mie stehen die Banken wie keine an- dere Branche des Wirtschaftslebens im Brennpunkt. Halten die „Sicherheits- dämme“, zu deren Errichtung die Institute nach der Finanzkrise im Jahr 2008 von den Regulatoren verpflichtet wurden? Tatsäch- lich zeigt sich: Die Eigenkapitalvorschriften und Liquiditätsregulierungen – oft beklagt von den Banken – beweisen nun während des massiven Konjunktureinbruchs ihre Stärke. Ohne ein derart stabiles Banken- system würde es derzeit düster aussehen, sa- gen der langjährige KPMG-Bankenexperte Alexander Lippner und der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Bernhard Gruber im Ge- spräch mit FONDS professionell. Herr Lippner, Herr Gruber, wie geht es den österreichischen Banken in wenigen Worten? Alexander Lippner: An den vergangenen Krisen waren die Banken nicht ganz unbetei- ligt. Diesmal haben sie eine völlig andere Rol- le. Eine, die die Bedeutung der Bankenland- schaft hervorhebt, nicht nur in Österreich. Wie alle Unternehmen befinden sie sich in einer Phase, wo sie mit ihrem Betriebs- und Ge- schäftsmodell durchkommen müssen, bis ein Impfstoff entwickelt wird. Den Satz „Die Banken sind diesmal Teil der Lösung“ hört man oft. Aber die be- stehenden Kreditportfolios werden ris- kanter, die wirtschaftliche Entwicklung ist unklar. Wie viel Glauben darf man dieser Beschwichtigung schenken, wenn man bedenkt, dass die Krise auf die Finanzbranche überschwappen könnte? Alexander Lippner: Wenn wir nicht so ein stabiles und flexibles Bankwesen hätten, das mit der Regierung zusammengearbeitet hat, dann wären wir ins absolute Chaos verfallen. Ich empfinde es als positiv, dass die Wichtig- keit eines funktionierenden Bankensystems wieder einen Wert bekommen hat. Das war ja definitiv in den letzten Jahren nicht so. Nun kommt es darauf an, wie man die nächsten Phasen bewältigt. Bernhard Gruber: Teil der Lösung sicher; in dem Sinne, dass ein Großteil der Liquidität für die Wirtschaft über die Banken zur Ver- fügung gestellt wird. Von den 38 Milliarden Euro des Hilfspakets der Regierung ist ja nur ein Teil zahlungswirksam, ein hoher Anteil sind Garantien und Stundungen. Die Republik hat mit 100-Prozent-Garantien die Ban- ken zumindest teilweise von Ri- siken befreit, und es gibt einge- schränkte Sorg- faltspflichten, da- mit sie die Kre- dite schneller ver- geben können. Zurzeit wird sehr viel garantiert, es ist noch viel Li- quidität im Markt. Die Insolvenzvor- schriften wurden aufgeweicht, daher sind tatsächlich momentan sehr wenige Unterneh- men zahlungsun- fähig. Es ist aber schon zu erwarten, dass mit ein paar Monaten Verzögerung – im Spätsommer, Herbst – die Ausfälle bei den Banken wesentlich steigen werden. Wie hoch? Bernhard Gruber: Es arbeiten gerade alle Banken daran, die erwarteten Kreditver- luste einzuschätzen. Niemand weiß, wie sich die Krise entwickeln wird. Wesent- liche Parameter sind die makroökonomi- schen Prognosen, insbesondere auf die Branchen bezogen. Dass es wesentliche Erhöhungen bei vielen Banken geben wird, ist klar. Man sieht das ja bei man- chen schon, die einen Abschluss mit Ende März veröffentlicht haben. Bei großen inter- nationalen Banken gibt es eine Bandbreite der Steigerung von 300 bis 1.000 Prozent bei den Vorsorgen für das Kreditrisiko. Jedenfalls wird es bei den meisten eine Vervielfachung. Es mehren sich die Berichte, wonach die Banken wieder beginnen, sich unterein- ander zu misstrauen. Die EZB hat offen- bar ebenso Bedenken und verlangt von den systemrelevanten Banken ein täg- liches Liquiditätsreporting. Dazu kommt, dass der liquide Markt schon vor Corona hochsensibel war. Am US-Geldmarkt gab es im Herbst eine Liquiditätskrise, in der die Fed den Banken beisprin- gen musste. Wie groß ist die Gefahr einer neuen Ver- trauenskrise? Bernhard Gruber: Die Frage ist völlig berechtigt. Man kann zwar einen Vergleich zu 2008 ziehen. Dennoch ist die heutige Situation eine völlig andere. Damals wusste nie- mand, was andere Marktteilnehmer an toxischen Assets in Lockern die Regulatoren die Bankenstandards noch weiter, droht eine Liquiditätskrise ähnlich wie 2008, sagt der Bankenexperte und Wirtschaftsprüfer Bernhard Gruber . Gemeinsam mit seinem Kollegen Alexander Lippner analysiert er, was die CoV-Pandemie für Genossenschaftsinstitute, Privatbanken oder Fintechs bedeutet. „Die Ausfälle bei den Banken » Wenn wir nicht so ein stabiles und flexibles Bankwesen hätten, das mit der Regierung zusammengearbeitet hat, dann wären wir ins absolute Chaos verfallen. « Alexander Lippner, KPMG - - e Alexander Lippner berät Banken und Versicherun- gen national und inter- national. bank & fonds I bernhard gruber und alexander lippner | kpmg 240 www.fondsprofessionell.at | 2/2020

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