FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Foto: © NicoElNino | stock.adobe.com, Berenberg, Sauren B ei der Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der EU- Wirtschaft spielen Nachhaltigkeit und der Übergang zu einer emissionsar- men, ressourcenschonenderen Kreislauf- wirtschaft eine entscheidende Rolle.“ Das Zitat stammt aus dem im März 2018 von der EU-Kommission veröffentlichten „Aktionsplan zur Finanzierung nachhal- tigen Wachstums“, mit dem die europäi- schen Amtsträger eine Reihe von Maß- nahmen und Empfehlungen formuliert haben, um den Finanzsektor zu einer stärkeren Berücksichtigung nachhaltiger Investments anzuhalten. Nicht erst seit der Veröffentli- chung solcherlei EU-Pläne verzeichnen ESG- Investments einen wahren Boom. In den deutschsprachigen Ländern haben Großanle- ger und Privatinvestoren bereits jetzt knapp 475 Milliarden Euro entsprechend investiert, mit steigender Tendenz (siehe Seite 200). Vor allem im Geschäft mit institutionellen Investoren geht ohne ESG inzwischen so gut wie nichts mehr. Aber auch bei privaten Anlegern gewinnt das Thema immer mehr Anhänger. Im Retailsektor wird es demnächst noch weiteren Schub erhalten. Voraussichtlich noch 2021 sollen Berater dazu verpflichtet werden, ihre Kunden zu fragen, ob sie ein nachhaltiges Investment bevorzugen. Was aber gleichzeitig bedeutet, dass sie ein ent- sprechendes Angebot in ihrem Produktköcher haben sollten. Entsprechend kommt ein Asset Manager, der im Geschäft bleiben will, nicht mehr umhin, das Nachhaltigkeitsthema auf die eine oder andere Weise in sein Angebotsprogramm beziehungsweise in seine Investmentprozesse zu integrieren. Dazu braucht es vor allem eines: Daten. Das hört sich einfacher an, als es ist. Denn im Alleingang wäre das viel zu kosten- und zeitintensiv. Selbst den Großen der Fondsbranche wäre es kaum möglich, die ESG-Analysen zu Tausenden von Unter- nehmen eines globalen Anlageuniversums im Alleingang zu erstellen. Spärliche Informationen Im Unterschied zu klar formulierten und standardisierten Vorgaben, was die Veröffent- lichung von Finanzkennzahlen eines Unter- nehmens angeht, ist es nämlich um nicht- finanzielle Daten in Bezug auf das verant- wortungsvolle Agieren eines Unternehmens schlecht bestellt. Zwar müssen börsennotierte Gesellschaften seit 2018 laut CSR-Richtlinie der EU einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. „Doch berichten die meisten Unternehmen auch weiterhin oftmals recht selektiv über Nachhaltigkeitsaspekte“, stellt Kai Lehmann, Research Analyst am Floss- bach von Storch Research Institute, in einer Studie zum Thema ESG-Rating fest. „Die Berichte erinnern nur all zu oft an Image- broschüren und stellen kaum eine geeig- nete Grundlage für eine allumfassende Nachhaltigkeitsbeurteilung dar.“ Deshalb greifen viele Marktteilnehmer, insbesondere Fondsgesellschaften, auf das Angebot externer Ratinggesellschaften zurück, die sich auf die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Unternehmen spezia- lisiert haben. Zu den Großen der Branche gehören neben MSCI und ISS-Oekom auch RobecoSAM sowie Reprisk und nicht zuletzt Sustainalytics, heute zu 40 Prozent im Besitz von Morningstar, im Herbst soll die Komplettübernahme stattfinden. Die Spezialisten sammeln Daten von Tausenden Unternehmen, indem sie Informationen aus deren Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten ziehen, sie nutzen darüber hinaus aber auch öffentlich zugängliche Quellen wie Nachrich- tenseiten oder Informationen von NGOs und gehen über standardisierte Fragebögen in den direkten Dialog mit den Unternehmen. Die gesammelten Informationen werden ausgewertet und am Ende der Analyse zu einer Ratingkennzahl verdichtet, wie man sie auch vom traditionellen Kreditrating kennt. Solcherlei Dienstleistung in Bezug auf ESG- Die Vielfalt von sogenannten ESG-Ratings kann durchaus ein Vorteil sein. Sie führt aber nicht selten zu großen Differenzen in der Beurteilung von Unternehmen. Verwirrung im Datenpool Die Korrelation zwischen den ESG-Bewertungen verschiedener Ratingagenturen ist zum Teil extrem gering. Der sub- jektive Charakter der entsprechenden Ratings aufgrund verschiedener Bewertungsmethoden wird damit zum Problem. » Die Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen erinnern nur allzu oft an Imagebroschüren und stellen kaum eine geeignete Grundlage für eine allumfassende Nach- haltigkeitsbeurteilung dar. « Kai Lehmann, Flossbach von Storch 224 www.fondsprofessionell.at | 2/2020 esg-spezial I esg-ratingagenturen

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