FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Foto: © fongleon356 | stock.adobe.com S pricht man dieser Tage mit den Verant- wortlichen der heimischen Finanzver- triebsszene, so hat man unweigerlich den Eindruck, dass die Coronakrise trotz ihrer ernsten Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Gesamtwirtschaft eine positive Dyna- mik in den Markt gebracht hat. Die Digitali- sierungsbemühungen der vergangenen Jahre zahlen sich für die Unternehmen nun aus, und die große Stärke der Berater – die Kommu- nikation mit Kunden – ist in Krisenzeiten ge- fragter denn je. Rasch haben sich die Wertpa- pierfirmen und die angeschlossenen Vertriebs- partner auf die neue Situation eingestellt, trotz des persönlichen Kontaktverbots mit den Kunden konnte der Informationsfluss per Mail, Telefon, Videokonferenzen und Webi- naren aufrechterhalten bleiben. In vielen Fäl- len hat die virusbedingte Isolation geradezu als Beschleuniger der weiteren Digitalisierung gewirkt. So berichtet Alexander Varga, Ge- schäftsführer bei Jung, DMS & Cie.: „Die Krise hat gezeigt, wozu man in der Lage ist, wenn die Situation außergewöhnlich ist. Durch Corona hat sich der Digitalisierungs- grad in vielen Bereich unglaublich schnell weiterentwickelt. Wir haben enorm viel Man- power und Kreativität aufgebracht. In den ersten zwei Wochen der Krise haben wir die Telefon- und Videoberatung aus dem Boden gestampft. Wir haben die Depotbanken dazu gebracht, kreative Lösungen für die Legitima- tions- und Identifikationsprüfung zu finden. Mittlerweile können wir über die Plattform der Capital Bank und die FFB einen voll- ständig digitalen Antrag abwickeln. Mittels A-Trust-Handysignatur ist ab sofort auch die Depoteröffnung elektronisch möglich. Damit ist sowohl für den Berater als auch für den Kunden vom Erstkontakt bis zur Depotein- sicht in unserer App alles digital. Darüber hin- aus haben wir mit der komplett papierlosen Finanzberatung auch einen wichtigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gesetzt.“ Ähnliches berichtet Finanzadmin-Geschäfts- führer Reinhard Magg, auch die Österreich- Tochter der deutschen Fondskonzept profi- tierte in den vergangenen Monaten von den Investitionen und Bemühungen bei der Digi- talisierung: „Sehr viele unserer Berater ver- wenden nahezu ausschließlich unsere App für die Abwicklung von Kundenaufträgen. In Kombination mit dem Kundenzugang bezie- hungsweise mit der Kunden-App ist dies eine sehr gute Möglichkeit, Anleger auch in diesen schwierigen Zeiten vollumfänglich zu betreu- en“. Im Detail konnte das Unternehmen so seit dem Beginn der Coronakrise mehr als 1.000 Unterlagen pro Woche digital ver- arbeiten. Im Vergleich zum März des Vorjahres wurde eine Steigerung von 25 Prozent erzielt. Situation genutzt Insgesamt bestätigen Varga und Magg, dass viele Kunden die Situation genutzt haben, um ihre Veranlagung zu optimie- ren. „Bei der Analyse der verarbeiteten Unterlagen fällt eine Vielzahl von Nach- zeichnungen auf. Daraus lässt sich ablesen, dass einige Kunden die Kurseinbrüche an den weltweiten Börsen als Kaufgelegen- heiten genutzt haben“, so Magg. Es zeigt sich also, dass es trotz des Wegfalls des physischen Kundenkontakts keine massi- ven Auswirkungen auf den Geschäftsver- lauf gab. Allerdings setzt das laut Varga schon voraus, dass die Berater proaktiv auf den Kunden zugehen: „Unsere Vertriebspart- ner haben in dieser Zeit stark mit Mailings und Webinaren gearbeitet und sind dadurch laufend mit den Kunden in Kontakt geblie- ben.“ Dieser Einsatz ging jedoch weder an den Mitarbeitern der Wertpapierfirma noch an den Vertriebspartnern spurlos vorüber. So zeigt sich laut Varga, dass die letzten Wochen an die Substanz der Leute gegangen sind. „Mittlerweile merkt man schon gewisse Erschöpfungszustände. Wir hatten phasenwei- se 50 bis 70 Prozent mehr Anträge als in einem durchschnittlichen Monat, und die Be- arbeitung erfolgte im Homeoffice“, beschreibt er die Situation. Steigerung im Neugeschäft Am Ende hat sich der Einsatz jedenfalls vorläufig ausgezahlt. So berichtet Varga, dass bei JDC allein im März so viel Neugeschäft gemacht wurde wie im gesamten ersten Quar- tal 2019. Ähnlich stellte sich die Situation auch imApril dar, hier kam allerdings hinzu, dass während amAnfang der Krise vor allem mit Bestandskunden Geschäft gemacht wurde, die neuen Lösungen im Bereich der Legitima- tions- und Identifikationsprüfung dann auch Umsatz mit Neukunden ermöglichten. Inwie- Die Coronakrise hat den Vermögensberatern bisher nicht so zugesetzt wie befürchtet. Die Haftungsdächer schrumpfen trotzdem weiter. Die Branche trotzt der Krise Aktuell sieht es danach aus, als ob die heimischen Vermögensberater die Coronakrise und den damit einhergehenden Lockdown der Wirtschaft verhältnismäßig gut verkraftet haben. 172 www.fondsprofessionell.at | 2/2020 vertrieb & praxis I wer tpapierfirmen

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