FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Foto: © snowing12 | stock.adobe.com D ie gewerblichen Versicherungsvermitt- ler haben wie viele andere Betriebe eine Zeit voller Ungewissheiten hinter sich, noch größer sind aber die Sorgen über die kommenden Monate, wie Gespräche mit den Standesvertretern zeigen. Mit den von der Regierung ab 15. März verhängten Aus- gehverboten und Kontakteinschränkungen brach auch im Versicherungsvertrieb abrupt die Basis des täglichen Geschäfts weg. Anders als Banken, die ebenfalls Versiche- rungsprodukte vertreiben, durften Vermittler ihre Büros nicht öffnen. Es gibt noch keine belastbaren Zahlen, wie viele Versicherungs- makler oder Versicherungsagenten bisher den Härtefallfonds für Kleinunternehmen (HFF) und den Hilfsfonds für Großbetriebe in Anspruch genommen haben, Experten gehen aber von einem zweigeteilten Bild aus. Dem- nach traf die Krise junge Vermittler von Anfang an sehr hart, während etablierten Versicherungsprofis erst in den kommenden Monaten grobe Schwierigkeiten bevorstehen. „Betroffen sind derzeit vor allem die Neugründer, da zähle ich solche in den ersten drei Jahren dazu. Sie leben stark von der Abschlussprovision, also vom Neugeschäft“, sagt Horst Grandits, Fachverbandsobmann der Versicherungsagenten in der Wirtschafts- kammer. Das Neugeschäft sei aufgrund der gesetzlich angeordneten Einschränkungen praktisch zum Erliegen gekommen. Die erste Phase des Härtefallfonds dürften dement- sprechend vor allem die Jüngeren in Anspruch genommen haben. „Wer länger dabei ist, hat Bestandsprovisionen und kommt noch besser über die Runden. Derzeit.“, so Grandits. Wer mit dem erfahrenen Branchenexperten spricht, merkt deutlich die Sorge über die Zukunft. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, wenn die Kurzarbeit beendet wird. Wer arbeitslos wird, überlegt, wo er einsparen kann, ob er zum Beispiel wirklich das zweite Auto braucht. Selbst wenn jemand nur das Kennzeichen für eine Zeit zurücklegt, um die Prämie nicht zahlen zu müssen, hat das sofort Auswirkungen auf uns“, sagt Grandits. Sorge um Corporate-Geschäft Fixe empfindliche Rückgänge erwartet er vor allem aber im wichtigen Unternehmens- bereich. „In der ersten Hälfte des Jahres 2021 werden wir die Krise vermehrt spüren, wenn die Vertragskorrekturen kommen“, befürchtet der Interessenvertreter. Er spricht dabei kon- junktursensible Produktsparten wie Betriebs- haftpflichtversicherungen an, bei denen die Prämie auf Basis von Umsatz und Jahres- lohnsumme errechnet wird. Kunden gehen hier üblicherweise in Vorleistung – sollte ihr Geschäft rückläufig sein, wird ihnen im Jahr darauf die zu viel bezahlte Prämie rücker- stattet. „Da die Provision das Schicksal der Prämie teilt, müssen wir die Provision aus der Vorauszahlung an den Versicherer zurück- geben. Viele Betriebe werden geringere Lohnsummen und Umsätze haben, und daher müssen wir davon ausgehen, dass viele von uns Provisionen zurückzahlen müssen“, sagt der Fachverbandsobmann. Etliche Ver- sicherungsagenten dürfte dies in Bedrängnis bringen. Rund drei Viertel der Agenten sind nach aktuellen Wirtschaftskammer-Zahlen Einpersonenunternehmen (EPU). Die Schät- zung ihrer finanzieller Polster dürfe nicht zu hoch angesiedelt werden, meint Grandits. „Es ist eine unserer Hauptbotschaften bei Schulungen: Bereitet euch finanziell mit Rücklagen vor. Denkt an das Zeitversetzte“, so Grandits. Neben der erwähnten Betriebshaftpflicht sind im Unternehmensbereich etliche andere Produkte betroffen – etwa die Firmenrechts- schutzversicherung (die Prämien richten sich nach der Anzahl der Beschäftigten) oder Ver- sicherungen für das Warenlager und so weiter. „Vom kleinsten EPU bis zum größten Betrieb wirkt sich die wirtschaftliche Entwicklung auf den Versicherungsvertrag aus. Ein Rückgang der Konjunktur bedeutet für uns immer einen Einkommensverlust“, sagt Grandits. Durch- schnittlich dürfte bei den Agenturen ein Drittel 2021 könnte für Versicherungsmakler und Versicherungsagenten schwierig werden. Ihr Umsatz bricht ein, wenn anderswo die Aufräumarbeiten beginnen. Der Einbruch kommt später » Betroffen sind derzeit vor allem die Neugründer in den ersten drei Jahren. Sie leben stark von der Abschlussprovi- sion, also vom Neugeschäft. « Horst Grandits, Fachverband der Versicherungsagenten In der ersten Hälfte des nächsten Jahres werden viele Versicherungsmakler und Versicherungsagenten empfindliche Umsatzeinbußen haben, sagen die Standesvertreter. 168 www.fondsprofessionell.at | 2/2020 fonds & versicherung I coronakrise

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