FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2020

Euro des Budgets in die Pensionen. 2018 musste der Staat knapp 18,6 Milliarden Euro zur Finanzierung zuschießen. Etwa die Hälfte davon floss an ehemals Bedienstete im staatlichen und halbstaat- lichen Bereich. Diese profitieren nach wie vor von existierenden Pensionspri- vilegien. Wird die Politik im Zuge der Diskussion auch dieses heiße Eisen angreifen müssen? Unbedingt, und zwar mehrere heiße Eisen. Erstens zeigt sich im Rückblick einmal mehr schmerzhaft, wie unsinnig die populistische Abschaffung des Pflegeregresses als einzig existierende vernünftige und faire Vermögens- besteuerung wirklich war. Statt eines Beitrags vermögender Erblasser zu ihrer eigenen Pfle- ge haben wir jetzt de facto ein Recht auf pfle- gefallsichere Erbschaft und eine Erbenversi- cherung auch für vermögende Erben, aber weiterhin keine Pflegeversicherung. Durch Verfassungsmehrheit ist das höchstwahr- scheinlich für immer einzementiert, also eine auf ewig unkorrigierbare Fehlentscheidung – zur verkehrten Umverteilung von unten nach oben, von Armen und allen Steuerzahlern zu Reichen. Zweitens müssten Steuern auf Wohl- stand und Reichtum beziehungsweise „Über- reichtum“ auch Wohlhabende nicht schrecken. Pragmatisch gesehen sollte man auf Vermö- genssteuern, die nur sehr kostspielig und strit- tig eintreibbar beziehungsweise oft kontrapro- duktiv sind, verzichten und stattdessen lieber Erbschaftsteuern einheben. Entsprechend der sehr viel linkssteileren beziehungsweise rechtsschieferen Ungleichverteilung von Ver- mögen im Vergleich mit Einkommen müsste diese Erbschaftsteuer sehr hohe Freibeträge und bei Unternehmensübergängen großzügige Stundungen vorsehen. Und mit schmerzlosen Niedrigsteuersätzen beginnen und erst bei Multimillionären und Milliardären und ent- sprechenden, mitunter exponentiellen Markt- lagengewinnen derartig progressiv ansteigen. Aber lässt sich für die Umverteilung von Vermögen jemals politischer Konsens herstellen? Viel eher, als wir in traditionellen Schablonen denken würden. Erbschaftsteuern sind keines- wegs immer politisch „links“. Schon John Stuart Mill, Vordenker des Liberalismus und Befürworter des Leistungsprinzips, propagier- te gerade darum sogar 100-prozentige konfis- katorische Erbschaftsteuern, um freiheitsge- fährdende Reichtumskonzentration bei jenen, „die nichts zur Entstehung des Vermögens beigetragen“ haben, zu unterbinden. Und „rechte“, konservativ-liberale Finanzwis- senschaftler wie Stefan Homburg plädieren heute dafür, Erbanfälle zu einer achten Ein- kunftsart der Einkommensteuer zu machen und so Erbschaften und Erwerbsarbeit gleich zu besteuern. Und wie sollte man mit den bestehenden Pensionsprivilegien verfahren? Auch bezüglich der Pensionsprivilegien gibt es unmittelbaren Handlungsbedarf – und auch gute Ansatzpunkte. Das betrifft sowohl die Ruhegenüsse der Beamten wie auch die soge- nannten „Sonderpensionen“ oder „Luxusren- ten“. Die weiterhin vorhandene Bevorzugung aller Beamtenpensionen könnte durch rasche- re Harmonisierung aller „Ruhegenüsse“ im öffentlichen Dienst mit demASVG noch vor dem Jahr 2028 oder gar 2042 in Wien bewäl- tigt werden. Hierzu müsste die türkise Neue Volkspartei „nur“ über ihre alten schwarzen Schatten des Beamtenklientilismus springen. Und die wahrhaft skandalöse jahrzehntelange schamlos korrupte Selbstbedienung an öffent- lichen Kassen in eigener Sache durch „Son- derpensionen“ aller Art sollte endlich tatsäch- lich beendet werden. Sie hat eine neue Klasse von Pensionsmultimillionären im geschützten Sektor von Kammern, Sozialversicherungen, Nationalbank und staatsnahen Unternehmen hochgezüchtet. Zumindest ein spürbarer „Pen- sionssicherungsbeitrag“ aus Solidarität mit allen weniger begünstigten Steuerzahlern, die diese Privilegien auf Jahrzehnte hinaus weiter spendieren müssen, war von den letzten drei Koalitionsregierungen aller Couleurs auch wiederholt versprochen worden, wurde aber bis heute nicht eingelöst. Sozialer Parasitismus und strukturelle Kor- ruption einiger weniger und nur selten leis- tungsstarker Spitzenrentiers zulasten der aller- meisten Steuerzahler geht insbesondere in Zeiten schwerer Krisen, schmerzlicher Ein- schränkungen und allgemein erforderlicher Verzichte gar nicht. Umgekehrt: Wenn ein bisschen mehr Fairness und Gerechtigkeit für sozial benachteiligte, aber „systemrelevante“ Leistungsträger nicht in Zeiten wachsender Ungleichheit wie diesen hergestellt werden kann, etwa um unseren Pflegenotstand zu beheben, wann dann? Vielen Dank für das Gespräch. GEORG PANKL | FP » Durch Verfassungsmehrheit ist das höchstwahrscheinlich für immer einzementiert, also eine auf ewig unkorrigierbare Fehlentscheidung – zur verkehrten Umverteilung von unten nach oben. « Prof. Bernd Marin, Europäisches Büro für Politikberatung und Sozialforschung Foto: © Günter Menzl Prof. Bernd Marin: „Auch bezüglich der Pensionsprivilegien gibt es unmittelbaren Handlungsbedarf – und auch gute Ansatzpunkte.“ Online weiterlesen: QR-Code scannen oder www.fponline.at/BM220 eingeben  fonds & versicherung I prof. bernd marin 158 www.fondsprofessionell.at | 2/2020

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