FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2020

Foto: © nmann77 | stock.adobe.com W er in Deutschland sein Geld auf die Bank tragen möchte, muss mittler- weile vorher abklären, ob er über- haupt erwünscht ist. Bereits 190 Institute ver- rechneten neuen Kunden zu Jahresbeginn Negativzinsen – bei bestehenden Kunden geht das gesetzlich nicht so einfach. Betroffen sind Spar-, Tagesgeld- oder Girokonten. Oft gibt es Freigrenzen, aber manchmal zieht die Bank bereits ab dem ersten Euro Strafzin- sen ab. Aus Sicht der Institute han- delt es sich um eine Verwahrge- bühr, sie selbst müssen schließlich inzwischen 0,50 Prozent bezahlen, wenn sie Geld bei der Europäi- schen Zentralbank (EZB) lagern. Nur Spargeld geschützt In Österreich werden Verbrau- cher mit dem Problem vorerst noch nicht behelligt. Unter anderem liegt das an der gesetzlichen Situation. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat im Jahr 2009 Strafzinsen teil- weise einen Riegel vorgeschoben: Eine Nullverzinsung widerspricht „den elementaren und gesetzlich angelegten Zwecken einer Spareinlage (Gewinn- und Vermögensbildungsfunktion) diametral“, stell- te das Gericht klar. Auch, wenn zuletzt viel über das Sparbuch geschimpft wurde: Wer eines hat, genießt einen besonderen Schutz, den es bei anderen Produkten so nicht gibt.  Girokonten oder Verrechnungskonten bei Wertpapierdepots erwähnt der OGH zum Bei- spiel nicht. Geld, das dort liegt, könnte auch in Österreich durchaus mit Strafzinsen belegt werden. Dass das geht, zeigt die Wiener Niederlassung des deutschen Depotanbieters Flatex. Sie verrechnet hierzulande seit Länge- rem Minuszinsen. Die österreichischen Bran- chenkollegen sind zurückhaltend, schließen jedoch nichts aus, wie eine Umfrage von FONDS professionell zeigt. Das sagen die Banken So sieht etwa Hello-Bank-Chef Robert Ulm „aktuell keine Veranlassung“ für Negativ- zinsen. Aber: „Wie alle betroffenen Banken diskutieren wir die Auswirkungen der Nega- tivzinsen auf unser Geschäftsmodell.“ Auch bei Dadat, ING Österreich, Erste Bank oder RLB NÖ-Wien heißt es: „Momentan nicht.“ Stellvertretend für andere sei der Nachsatz der ING-Bank genannt: „Die weitere Entwick- lung ist nicht absehbar, und wir sehen es als unsere Pflicht, auf die verschiedenen Szena- rien vorbereitet zu sein.“ Die Volksbank Wien wiederum schweigt über ihre Verbraucher- zinspläne. Allerdings müsse man irgendwann über Negativzinsen auch für kleinere Firmenkunden nachdenken: Wie bei allen öster- reichischen Banken zahlen bei der Volksbank große Corporate-Kun- den oder institutionelle Anleger auf hohe Einlagen längstens schon Strafzinsen. Das einzige „klare Nein für Negativzinsen bei Privat- kunden“ kam aus der RLB OÖ. Klar ist aber, der Druck steigt auf alle: Österreichs Banken haben laut einer Studie von Deposit Solutions zwischen 2016 und 2019 bereits eine knappe halbe Milliarde Euro bezahlt, um überschüssige Liquidi- Österreichische Banken zeigen sich vorerst zurückhaltend mit Negativzinsen für Verbraucher auf Girokonten. Die Dämme könnten aber langfristig brechen. Flaute für die Ewigkeit Auf Spareinlagen in Österreich sind Negativzinsen verboten – nicht aber auf Girokonten und andere Bankprodukte. Die Banken müssen überlegen, wie sie vorgehen. Ein baldiger Zinsaufschwung ist nämlich nicht wahrscheinlich. » Die weitere Entwicklung ist nicht absehbar, und wir sehen es als unsere Pflicht, auf die verschiedenen Szena- rien vorbereitet zu sein. « ING Bank Österreich Negativzinsen sind nichts Neues Österreichische Nominal- versus Realzinsen Real (nominell minus Inflation) lagen die Zinsen die meiste Zeit im Minus. Die Sparer sahen es nur nicht so eindeutig. Quelle: OeNB, Statistik Austria | 1994/95 keine Daten -6 % -4 % -2 % 0 % 2 % 4 % 6 % 8 % 2020 2010 2000 1990 1980 1970 1960 –1,5864 % +0,1136 % Real Nominell aktuell: 264 www.fondsprofessionell.at | 1/2020 bank & fonds I negativzinsen

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