FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2019

Foto: © robotocity | stock.adobe.com, Martin Joppen; Felicitas Matern I m Jahr 2018 erzielten die österreichischen Kreditinstitute ein konsolidiertes Jahres- ergebnis in Höhe von rund 6,9 Milliarden Euro und damit um 0,3 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Im Vergleich mit Deutschland (mit einem Ertragsminus von 1,3 Prozent) steht Österreich in Bezug auf die Ertragslage zwar noch besser da, jedoch stagniert die Branche auch hierzulande, wenn es um Kosteneffizienz und Profitabilität geht. Dabei sind die Probleme nicht nur im Niedrig- zinsumfeld zu suchen: Die Finanzhäuser ar- beiten bei einem zu hohen Aufwand-Ertrags- Verhältnis (Cost-Income Ratio) insgesamt nicht mehr wirtschaftlich. Schuld daran sind nicht zuletzt der Kostendruck und neue Regulierungen. Um in diesem Umfeld beste- hen zu können, suchen europäische Banken verstärkt nach Lösungen im Bereich künstli- cher Intelligenz (KI). Maschinelles Lernen „Künstliche Intelligenz be- deutet, dass Computer nicht mehr genaue Anweisungen be- kommen, was sie tun sollen, son- dern dass sie selber lernen können“, sagt Christi- an Rieck, Professor für Finance und Wirt- schaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences (siehe Interview Seite 240). In gewisser Weise könne man KI als Übersetzer ansehen, der Schnittstellen- probleme auf verschiedensten Ebenen löse, so der Wissenschaftler. „Dass wir in der Vergan- genheit noch Menschen brauchten, lag daran, dass sich Computer bisher mit unscharfen Da- ten und Aufgaben schwergetan haben. Auf einmal löst KI solche Aufgaben.“ Es gibt unterschiedliche Ansätze, um Computer so zu programmieren, dass sie menschliche Entscheidungsprozesse nach- bilden. Zu den gängigen Lösungen gehören Entscheidungsbäume, Rankings oder das maschinelle Lernen (ML). Letzteres ist ein relativ neuer Ansatz. „ML ist ein Teilbereich der KI und bezieht sich auf Computerprogramme, die Mus- ter erkennen und auf dieser Grundlage Vorhersagen treffen“, erklärt Orcun Kaya, Analyst des Deutsche-Bank-Thinktanks DB Research. „Ein typisches Beispiel dafür ist eine Internetplattform, die Nutzern anhand ihrer bisherigen Präferenzen bestimmte Produkte oder Nachrichten empfiehlt, die ihnen gefallen könnten.“ Die ML-Anwen- dungen analysieren laufend neue Daten und Szenarien und verfeinern so ihre Entschei- dungsprozesse, ohne explizit darauf pro- grammiert zu sein. Sie können quasi aus Daten lernen. Flirt mit „Emma“ Auch Chatbots, die als digitale Assistenten per Textnachricht oder telefonisch mit dem Kunden kommunizieren, setzen auf die neue Intelligenz. Wer sich bei der südostasiatischen OCBC Bank über eine Baufinanzierung in- formieren möchte, landet erst einmal bei „Emma“, einem Chatbot der neuesten Gene- ration. Emma beantwortete allein in den er- sten drei Monaten ihrer Tätigkeit über 20.000 Anfragen von Häuselbauern, jede zehnte da- von führte zu einem konkreten Verkaufsge- spräch. Dank der hinterlegten Bau- finanzierungssoftware kann sie dem Kunden auch sofort die Höhe seines maximalen Kreditbetrags mitteilen. Zu- dem gleicht Emma ihr Wis- sen immer mit den neuesten regulatorischen Anforderun- gen ab. Die „Dame“ scheint bei den Kunden gut anzu- kommen: Rund 90 Prozent der Interessenten sind mit ihren Antworten zufrieden, zeigt eine Erhebung. Emma wirkt dabei so authentisch, dass einige männli- che Kunden sogar anfingen, mit ihr zu flirten. Auch die skandinavische Nordea-Gruppe nutzt KI, um Kundenanfragen automatisch an die richtige Abteilung weiterzuleiten. Die Technik, die vom estnischen Start-up Fee- lingstream entwickelt wurde, kann innerhalb einer Sekunde Hunderte Anfragen bearbeiten – und ersetzt damit Dutzende Mitarbeiter eines Callcenters. Computer schlägt Mensch KI kann auch dabei helfen, die aufsichts- rechtlichen Anforderungen zu erfüllen, sie er- kennt etwa Betrugsfälle im Zahlungsverkehr. „KI-Algorithmen prüfen in Echtzeit, ob die von Kunden getätigten Kreditkartentrans- aktionen plausibel sind, und verglei- chen aktuelle Zahlungsvorgänge im Hinblick auf den Zahlungsbetrag Künstliche Intelligenz kann den Banken dabei helfen, rentabler zu arbeiten. Einige Institute setzen bereits autonome Chatbots oder Systeme zur Betrugserkennung ein. Science-Fiction war gestern So hatte man sich künstliche Intelligenz (KI) früher in Sci- ence-Fiction-Filmen vorge- stellt. Mittlerweile zeigt sich: KI fühlt sich ir- gendwie anders an. 238 www.fondsprofessionell.at | 4/2019 bank & fonds I künstliche intelligenz

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