FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2019

Foto: © Günter Menzl F ür Gerhard Heine gibt es derzeit viel zu tun. Er ist Leiter des Part- nervertriebs bei der Wiener Städ- tischen Versicherung, betreut also selbst- ständige Vertriebspartner, die Produkte der Städtischen vermitteln: Versiche- rungsmakler, -agenten und Vermögens- berater. Die wissen erst seit Kurzem, wie das österreichische Recht die eigentlich schon seit Oktober 2018 geltende In- surance Distribution Directive (IDD) anwendet. Die Regelwerke wie die Ver- sicherungsvermittlungsnovelle, die Stan- desregeln und die Lehrpläne für den gewerblichen Vertrieb wurden in Öster- reich erst viele Monate nach dem ver- pflichtenden IDD-Start veröffentlicht. Die Versicherungsunternehmen selbst kennen die für sie relevanten Gesetze bereits seit April 2018, müssen aber ebenfalls noch ihren Praxisweg finden. Herr Heine, die IDD sorgte anfangs auf allen Seiten für Unmut. Wie groß ist denn der Groll heute noch? Gerhard Heine:  Ich würde nicht unbedingt das Wort Groll verwenden. Es herrschte große Unsicherheit, wie die Regeln in das nationale Recht umgesetzt werden. Im Moment haben wir einen Status, mit dem wir ganz gut leben können. Ob das auch den Vorstellungen der Finanzmarktaufsicht entspricht, wird man sehen. Worin besteht da die Sorge? Das betroffene Spektrum ist einfach sehr breit. Es geht um Beratungsprozesse, Vergütungs- kriterien, Dokumentation und vieles mehr. Dazu kommt, dass das neue Regelwerk sehr viele unbestimmte Begriffe enthält. Deshalb haben die Unternehmen die Regeln sehr un- terschiedlich umgesetzt. Die Provisionen zum Beispiel sind laut IDD an qualitative Kriterien zu binden. Wir haben drei gewählt. Wenn der Vermittler diese einhält, ist die Provision ge- rechtfertigt. Aber manche Versicherer haben gar nichts geändert, manche sagen: „Die Qua- lität ist ausreichend erfüllt, wenn der Vermitt- ler mit uns zusammenarbeitet.“ Dann gibt es Unternehmen, die streichen bei Problemen 20 Prozent der Provision. Warum auch immer 20. Jeder hat da sein eigenes Gerüst errichtet. Die FMA hat gesetzlich die Möglichkeit, genau zu regeln, was „gut“ oder „schlecht“ ist. Das hängt als Drohung im Raum. Stimmen Sie sich mit der Behör- de ab, ob Ihre Maßnahmen passen? Wir sind mit der Aufsicht in einem regel- mäßigen Austausch. Ich denke auch, dass die IDD kein starres Konstrukt ist. Die ganze Branche wird sich da ständig mit der Entwicklung beschäftigen müssen. Nach den ersten Prüfungen wird man die Dinge klarer sehen. Ich denke, die FMA wird dann sagen, wo sie Optimierungs- bedarf sieht. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir irgendwo sehr stark danebenliegen. Die Vermittler haben jedenfalls Angst, dass ihnen auf Grundlage der quali- tativen Kriterien die Provisionen ge- kürzt werden; wenn etwa hohe Storno- quoten als Grund für eine Kürzung herangezogen werden. So haben viele qualitative Kriterien ihre Fallstricke. Ich weiß, dass manche Konkurrenten Storno- quoten in ihrer Courtagevereinbarung drinha- ben. Wir haben das nicht. Bei Gesetzesände- rungen geht die Vermittlerschaft immer davon aus, dass der Versicherer versucht, das Risiko auf den Vermittler abzuwälzen, das war schon immer so und ist menschlich. Da können wir noch so oft betonen, dass wir nur versuchen, dem Gesetz Genüge zu tun. Wir haben jeden- falls lange mit den Vermittlern über die qua- litativen Kriterien diskutiert. Es läuft nun alles über eine Schlichtungsstelle, damit es solche Vorwürfe nicht gibt. Sind Ihre qualitativen Kriterien kom- plett neu, oder kamen diese bereits zuvor zum Einsatz? Sie sind neu. Aber wir haben uns für Kriterien entschieden, die als Pflicht so auch in der Ver- triebsrichtlinie stehen. Diese haben wir ver- traglich verankert und mit einem Sanktions- mechanismus versehen. Es ist ja grundsätzlich kein Geheimnis. Eines der Kriterien ist, dass ein Vermittler die in der Richtlinie geforderten 15 Stunden Weiterbildung pro Jahr absolviert. Überprüft wird das ja von der Gewerbebe- hörde, nicht durch die FMA. Bei Ihnen muss man das vorweisen? Es ist nicht sinnvoll, zusätzlich zur Überwa- chung durch die Gewerbebehörde alle zu In den vergangenen Monaten hielten die Vorgaben aus der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD Einzug in die tägliche Versicherungspraxis. Ob die Branche dabei wirklich richtigliegt, werden erst die Prüfungen durch die FMA zeigen, sagt Gerhard Heine , Leiter des Partnervertriebs bei der Wiener Städtischen Versicherung. „Ich gehe davon aus, dass ne » Ich denke, die FMA wird sagen, wo sie Optimierungsbedarf sieht. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir sehr stark danebenliegen. « Gerhard Heine, Partnervertrieb Wiener Städtische Gerhard Heine Gerhard Heine ist seit 1981 in der Wiener Städti- schen Versicherung tätig. Er verantwortet seit dem Jahr 2000 den Partnervertrieb, betreut also Makler, Agenturen, Vermögensberater und Banken – die Kooperation mit Erste Bank und Sparkassen ist davon ausgenommen. Diese wird von Vorstand Manfred Bartalszky betreut und ist ein eigener Ver- triebsweg, auf dem „vice versa“ vermittelt wird: Der Städtische-Vertrieb vermittelt Bankprodukte, die Ban- ken wiederum verkaufen Versicherungsprodukte. Heine ist auch für den Vertrieb in Slowenien und Italien zuständig. Er betreut außerdem Vertriebstöch- ter wie die Bestattungs- und Versicherungsservice- gesellschaft Wiener Verein oder das Kfz-Versiche- rungsserviceunternehmen carplus . Das Industrie- geschäft liegt vertrieblich ebenfalls bei Heine. fonds & versicherung I gerhard heine | wiener städtische 168 www.fondsprofessionell.at | 4/2019

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