FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2019

4 www.fondsprofessionell.at | 1/2019 brief der herausgeber A nfang dieses Jahres verstarb mit dem Vanguard-Gründer John Bogle der Erfinder des passiven Investments. Mitte der 1970er- Jahre legte er den ersten Indexfonds für US-Aktien auf, und heute ist Vanguard die zweitgrößte Vermögensverwaltungsgesellschaft der Welt. Die Ratingagentur Moody’s schätzt, dass in zwei bis drei Jahren mehr als 50 Prozent des weltweit in Fonds investierten Kapi- tals in passiven Vehikeln veranlagt sein werden. Die Begründung für die Erfolgsgeschichte ist einfach: Wegen des Kostenvorteils ist pas- sives Investieren gegenüber dem aktiven Versuch, die Märkte zu schlagen, vor allem im Durchschnitt dann im Vorteil, wenn Märkte kräftig zulegen – jedenfalls in effizienten, liquiden Märkten. Und da Märkte häufiger und länger steigen als fallen, fährt man mit passiven Fonds tendenziell gut. Weil aber die letzten 20 Börsenjahre trotz Dotcom-Bubble, Subprime- und Eurokrise Zuwächse brachten, zei- gen die Charts ein Problem nicht: Völlig unattraktiv werden passive Fonds in seitwärts oder abwärts tendierenden Marktphasen. Nun ist nicht seriös vorhersagbar, wie die nächsten Jahre an den Börsen ver- laufen werden, sicher ist allerdings, dass sowohl an den Aktien- als auch an den Rentenmärkten ein Jahrzehnt hinter uns liegt, in dem wir von schweren Korrekturen verschont geblieben sind. Das ist einerseits erfreulich, verringert aber die Chance, weitere zehn Jahre ähnlich hohe Renditen zu sehen. Das heißt nicht, dass es nicht doch passieren kann, aber als Berater tut man gut daran, Kunden mental darauf vorzubereiten, dass die Durchschnittserträge der kommenden zehn Jahre unter jenen der letzten Dekade liegen könnten. Der amerikanische Investor Jeremy Grantham ging kürzlich in einem Interview sogar so weit, für US-Aktien über die nächsten 20 Jahre eine Ertragsflaute anzukündigen. Gegenüber CNBC erklärte er, dass man mit US-Aktien in den letzten 100 Jahren im jährlichen Durchschnitt real rund sechs Prozent Ertrag verdient habe. Bis 2040 soll sich dieser Wert seiner Einschätzung nach nun aber auf inflations- bereinigte zwei bis maximal drei Prozent verringern. Für die nähere Zukunft – also die kommenden fünf bis sechs Jahre – hält er negative Renditen für wahrscheinlicher als positive. Er begründet diese Einschätzung mit der hohen Bewertung von Aktien und den konjunkturellen Aussichten angesichts des weit fortgeschrittenen Konjunkturzyklus. Fünf Jahre ohne Ertrag? Als Europäer könnte man sagen: Das ist doch normal. Denn ein Blick auf den Verlauf des Euro Stoxx 50 über die letzten zehn Jahre zeigt, dass mit diesem Index und Fonds, die sich an ihm orientieren, in dieser Zeit nur etwas zu verdienen war, wenn man zufällig exakt eine der wenigen günstigen Kaufgelegenhei- ten erwischte. Besser fuhr nur, wer sich andere Benchmarks zur Ori- entierung suchte oder ohne Benchmark operierte. „Gerettet“ wurden viele europäische Anleger aber dadurch, dass sie auf gemischte Fonds setzten, deren Anleihenanteil die Ergebnisse verbesserte. Die Geld- politik nach der Finanzkrise bescherte Anleihenbesitzern gute Ergeb- nisse. Seit Anfang 2015 verläuft aber auch hier die Entwicklung seit- wärts. Zwar droht von Seiten der Notenbanken kurzfristig wenig Gefahr, weil die führenden Zentralbanken signalisiert haben, die Zin- sen nicht anheben zu wollen; spektakuläre Wertzuwächse sind aber angesichts der erreichten Zinsniveaus nicht vorstellbar. Hinzu kommt ein globaler Verschuldungsgrad, der sich seit der Finanzkrise um rund 50 Prozent erhöht hat; jede gröbere Irritation an den Rentenmärkten könnte hier auch schmerzhafte Kursverluste verursachen. Unterm Strich muss man also kein extremer Pessimist sein, um anzunehmen, dass aktive Manager in den kommenden Jahren eher die Chance haben, positive Ergebnisse zu erwirtschaften, als dies Indexprodukten möglich sein sollte. Auch sie bevorzugen ein positi- ves Umfeld, notfalls können sie sich aber in konservativere Aktien zurückziehen, die höhere Dividenden ausschütten, im Rentenbereich können sie mit Bonitäten und Laufzeiten Risiken steuern und im Extremfall auch in den Geldmarkt flüchten – ETFs können all das nicht. Natürlich gelingen solche Manöver nur den geschicktesten aktiven Fondslenkern, sie zu finden ist und bleibt eine wichtige Aufgabe der Finanzberatung. Grantham empfiehlt Anlegern übrigens eine höhere Gewichtung von Emerging Markets; für diese seien auch in den vor uns liegenden Jahren deutlich höhere Erträge vorstellbar. Eine Ansicht, die auch andere, sehr erfolgreiche aktive Fondsmanager teilen. Wir bedanken uns wie in jedem Jahr bei allen Besuchern des FONDS professionell KONGRESS 2019 und wünschen Ihnen ein erfolgreiches zweites Quartal. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Der Siegeszug der passiven Anlageinstrumente geht weiter. Vermutlich werden sie vielfach aufgrund falscher Erwartungshaltungen gekauft – hier drohen Enttäuschungen. Härtere Zeiten für ETFs? Foto: © Marlene Fröhlich Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi

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