FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2019

noch nicht ergeben“, führt Kruschev aus, der früher bei Sal. Oppenheim und Allianz Global Investors arbeitete. Es fanden zwar Anteils- ausgaben über eine auf der Blockchain basie- renden Plattform in Luxemburg statt. Das Ver- fahren wurde getestet, und es funktioniert. „Jetzt hängt das Werkzeug aber im Schrank – zumindest vorerst“, so der IT-Berater. „Im eigentlichen Fondsvertrieb sehe ich die Block- chain daher als nicht so relevant an.“ Große Scheu Größeres Potenzial für praktische Anwen- dungen billigt der Capco-Experte Smart Con- tracts zu. Diese ermöglichen eine digitale Ver- tragsgestaltung und -schließung. „Über diesen Weg könnten etwa die Zahlungsströme an Vertriebspartner automatisiert werden“, meint Kruschev. Weitere Möglichkeiten sieht André Näder vom Softwarehaus FIS. „Die gesamte Vertragsabwicklung und der Dokumentenversand lassen sich über Smart Contracts abwickeln“, meint Näder. „In diesem Rahmen verschiebt sich die Verwaltung der Kundenbeziehungen“, so Näder. „Diese Entwicklung reicht bis hin zum Ersatz von Intermediären, die bislang den direkten Kundenkontakt hielten.“ Zumindest theoretisch eröffnen Block- chain und Smart Contracts die Option, dass Fondsanbieter die etablierte Ver- triebskette überspringen und sich direkt an die Endkunden richten. „Die Fondsanbie- ter scheuen dies jedoch. Sie haben kein Interesse, Vermittler zu übergehen“, sagt Kruschev. Zu groß ist die Furcht, den klassischen Vertrieb zu verprellen. Denn die- ser spielt – ungeachtet aller Onlinetrends – noch nahezu sämtliche Neugelder ein. Abge- sehen davon bleibt die Frage, welche Verfah- ren und Abwicklungstechniken die Aufseher für zulässig erklären. Beim Kontakt zu Endkunden setzt derweil eine andere Gruppe an: digitale Vermögens- verwalter wie Scalable, Vaamo oder Ginmon. Sie setzen unmittelbar auf den Trend, dass Menschen online einkaufen, Reisen buchen oder eben ihre Finanzen erledigen. Dennoch glaubt Capco-Consultant Kruschev: „Die Digitalisierung wird in der Vermögensverwal- tung nicht so brutal zuschlagen. Denn hier spielt immer noch das Vertrauen eine große Rolle.“ Gerade beim Thema Geld ließe sich Vertrauen schlecht ersetzen oder digitalisieren. „Die ‚Maschinen‘ eines Robos sind der ein- fachere Teil. Viel schwieriger ist es, das Ver- trauen der Kunden zu gewinnen“, erläutert Kruschev. „So investieren Robo-Advisors wie Scalable oder Nutmeg überwiegend in Wer- bung. Diese soll Vertrauen schaffen – oder vielmehr eine Vertrauensanmutung.“ Wo die digitalen Vermögensverwalter hin- gegen die Richtung weisen, das ist der Um- gang mit den Kundendaten. Das fängt beim Einleiten der Geschäftsbeziehung und dem Erfassen der finanziellen Situation an, dem so- genannten Onboarding. „Das war bislang mit viel Papier und großem manuellemAufwand verbunden“, erläutert Blackrock-Vertriebsprofi Christian Bimüller. Dies ließe sich über elek- tronische Unterschriften und eine automati- sierte Abwicklung viel schneller und effizien- ter gestalten. „Dennoch braucht es hier auch noch einen menschlichen Beistand, der den Kunden sozusagen das Händchen hält. Denn viele Fragen zu den persönlichen Finanzen oder der Risikoneigung bedürfen einer Erläu- terung“, schränkt Bimüller ein. Alexa für die Finanzwelt Dennoch zeigen die Robo-Advisors, wel- chen Mehrwert konsequente Datenanalyse bringen kann – sowohl demAnbieter als auch dem Abnehmer. „Ein Beispiel sind die Kun- denbeziehungen: Welche Produkte hat der Kunde gekauft, und welche könnte ich ihm noch anbieten? Datenanalyse ermöglicht eine viel genauere und auf die Zielgruppe abge- stimmte Ansprache“, erläutert FIS-Experte Olschweski. „Robo-Advice und Big Data er- öffnen dem Asset Management Funktionen, wie man sie von Amazon kennt.“ Aber auch Funktionen zum Vorteil der Kunden finden schon Anwendung. Scalable etwa schöpft gezielt individuelle Steuerfrei- beträge der Kunden aus. „Ein digitaler Vermögensverwalter kennt seinen Kun- den, ein Fonds nicht“, hält Bimüller fest. Diese Beispiele verdeutlichen: Beim Thema Digitalisierung mag viel Übertrei- bung mitschwingen. Manch gefeiertes Konzept endet letztlich in der Sackgasse. Dennoch könnte es sich für Anbieter wie Vertriebe als fataler Fehler entpuppen, solche Entwicklungen gänzlich zu miss- achten. Denn beim Thema Technisierung hinkt die Asset-Management-Industrie ohnehin schon hinterher – und droht am Ende, gänzlich den Anschluss zu verlie- ren. SEBASTIAN ERTINGER | FP Wesselin Kruschev, Capco: „Die Digitalisierung wird in der Vermögensverwaltung nicht so brutal zuschlagen.“ Matthias Olschewski, FIS: „Robo-Advice und Big Data eröffnen Funktionen, wie man sie von Amazon kennt.“ Digitale Spätzünder Umfrage unter Asset Managern | Frage: „Wie weit ist Ihr Unternehmen bei der Digitalisierung?“ Was die Automatisierung angeht, zählt die Fondsbranche zu den Nachzüglern. Nur langsam rüsten die Anbieter digital auf. Quelle: Umfrage MIT Sloan Management Review und Deloitte Insights, Juni 2018 Reife- phase 22 % Entwicklungsphase 49 % Frühen Phase 29 % Wir stehen in der: 221 www.fondsprofessionell.at | 1/2019

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