FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2019

Foto: © smolaw11 | stock.adobe.com G ut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht. Dieses Bonmot drängt sich unweigerlich auf, wenn man Ver- sicherungsvermittler fragt, wie sie die Versi- cherungsvertriebsrichtlinie IDD nach den ersten Monaten im „Praxismodus“ beurteilen. Seit Oktober 2018 ist die IDD direkt anzu- wenden. FONDS professionell hat sich um- gehört, wie die Richtlinie auf den beruflichen Alltag wirkt. Überinformation Die IDD hat bekanntlich eine große Am- bition: mehr Transparenz für Verbraucher und Kleinanleger, die Versicherungs- oder Versi- cherungsanlagepolizzen kaufen. Das befür- worten prinzipiell auch Versicherungen und Vermittler, denn dass in der Vergangenheit Produkte häufig an den Konsumentenbedürf- nissen vorbei verkauft wurden, hat dem An- sehen der Branche geschadet. Doch die um- fassenden Informations- und Dokumentations- pflichten, mit denen die IDD für Aufklärung sorgen will, erweisen sich in der Praxis als wenig hilfreich. Agenten, Makler und Ver- mögensberater berichten vor allem von einem Problem der Überinformation: „In der fonds- gebundenen Lebensversicherung habe ich 50 bis 70 Seiten, die ich mit den Kunden durch- gehen muss. Die steigen da schlicht und ein- fach aus“, sagt Finanzdienstleister-Fach- verbandsobmann Hannes Dolzer, der selbst Vermögensberater und Versicherungsmakler ist. Der beabsichtigte Kundenschutz werde dadurch weitgehend konterkariert. Christoph Berghammer, Obmann der Versicherungs- makler und Berater in Versicherungsangele- genheiten, bestätigt 70-seitige Anträge für Lebensprodukte aus seiner betrieblichen Pra- xis. „Irgendwann werden wir uns mit der Politik zusammensetzen müssen, um zu prü- fen, was man machen kann“, sagt er. Auch betriebswirtschaftlich sei der Aufwand enorm: „Wir werden beobachten, wie sich solche Belastungen auf die Vermittler auswirken und ob es Rückgänge in der Statistik gibt“, ver- spricht Berghammer. „26 Mal Datenschutzerklärung“ Dass die EU-Richtlinie bei den kapitalbil- denden Versicherungspolizzen mehr Informa- tionen vorschreibt, kann man vielleicht noch verstehen. Dort gab es schließlich in den ver- gangenen Jahren die meisten Probleme mit intransparenten Kosten und Kunden, denen Risiken verkauft wurden, die sie gar nicht tra- gen wollten. Erstaunlich ist aber, in welchem Ausmaß auch einfache Sachversicherungen von der Zettelwirtschaft betroffen sind. „Ich muss in diesem Massengeschäft bis zu 20 Seiten Anträge vorlegen“, sagt Horst Grandits, Obmann der Versicherungsagenten in der Wirtschaftskammer. Allein die Datenschutz- bestimmungen seien sechs Seiten lang. „Ich frage mich, ob ich einem Kunden, den ich über Jahre begleite oder oft sogar ein Leben lang, 26 Mal die Datenschutzbestimmungen vorlegen muss“, so der Agenten-Obmann. Generell meinen die meisten Fachleute, die man darauf anspricht, dass die EU im Bereich Sachversicherungen einfach zu weit gegangen sei – etwa bei den neuerdings verpflichtenden Zielmarktdefinitionen. „Es ist nicht verständ- lich, warum man für eine Fahrraddiebstahls- versicherung einen Zielmarkt braucht; oder für die Kfz-Haftpflicht. Dafür müsste man wirklich keine geeignete Kundengruppe er- mitteln, denn die ist ja recht offensichtlich“, sagt Finanzdienstleister-Obmann Dolzer. Statusklarheit – Widerstand In den Papierbergen manifestiert sich die IDD wohl am sichtbarsten. Im Hintergrund müssen viele Vermittler freilich noch mit weit- aus drastischeren Nebenwirkungen klarkom- men. Und die sind durchaus hausgemacht. Eine davon ist die sogenannte Statusklarheit, also das Verbot, in einer Person als (gebunde- ner) Versicherungsmakler und als (freier) Ver- sicherungsagent tätig zu sein. Mehrere hun- dert Makler, Agenten oder Vermögensberater, Zettelwirtschaft, Einkommensverluste, mehr Schulungsteilnehmer: In der Praxis erzielt die EU-Richtlinie IDD keineswegs nur die angestrebten positiven Effekte. Zu viel des Guten Dass der Papierkram durch die IDD mehr wird, war klar. Das Ausmaß überwältigt aber selbst Routiniers. Widerstand erwacht nun auch gegen andere bereits lang bekannte Probleme wie die Statusklarheit. » In der fondsgebundenen Lebensversicherung habe ich 50 bis 70 Seiten, die ich mit den Kun- den durchgehen muss. Die steigen da schlicht und einfach aus. « Hannes Dolzer, WKO Finanzdienstleister 164 www.fondsprofessionell.at | 1/2019 fonds & versicherung I idd

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