FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018

Foto: © Marlene Fröhlich für LuxundLumen D ie Zahlungsdiensterichtlinie PSD II (Payment Services Directive) nimmt den Banken das Privileg, allein auf die Konten zuzugreifen. Das Ergebnis heißt „Open Banking“ und ist eine Bedrohung für traditionelle Finanz- institute. Man denke an eine Hausbank, die über viele Jahre mühsam Kunden gewonnen hat: Sie wird zum reinen Kon- tenverwalter degradiert, wenn die Kunden den Zahlungsverkehr, die Vermögensver- waltung oder die Kreditprüfung lieber über Fintechs abwickeln, die ja dann bequem an das eigene Konto andocken können. PSD II ist aber auch eine Chance für die Banken, nämlich dann, wenn diese ihren Schatz – die Kenntnis über die Zah- lungsströme auf den Konten – nutzen. Sie könnten Fintechs ins Boot holen oder selbst Angebote schaffen, die einen Nutzen für den Lebensstil der Kunden versprechen. Von der Strompreisoptimierung bis zu Alarm- services bei Kreditkartenmissbrauch ist vieles denkbar. Von Unternehmensberatern hört man oft, PSD II sei eine der einschneidends- ten Regulierungen für die Banken in den vergangenen Jahren. Gleichzeitig haben die österreichischen Banken noch keine wirklichen PSD-II-Anwendungen auf dem Markt. Verschlafen die Institute etwas, oder hat die Regulierung doch nicht so drastische Konsequenzen? Daniela Chikova : Wir glauben, dass der Weg zum Open Banking kein revolutionärer sein wird. Wir werden nicht eines Morgens in einer Open-Banking-Welt aufwachen, wo alles viel bequemer und einfacher ist. Ein Grund dafür ist auch die Bereitschaft der Konsumen- ten. Der Knackpunkt von Open Banking ist, dass die Kunden bereit sein müssen, ihre Daten zu teilen. In Österreich sagen nur 24 Prozent der Konsumenten, dass sie ihre Kon- ten mit wenig Bedenken einem Drittanbieter zugänglich machen würden. Das heißt, die Mehrheit müsste erst überzeugt werden. Achim Kaucic: Die PSD II gilt seit Anfang 2018, aber die Banken haben 18 Monate Übergangsfrist, um die technischen Standards (RTS, Regulatory Technical Standards, Anm.) zu implementieren. Eine Bank tut sich schwer, allein mit Open Banking voranzugehen, wenn sie keine Daten von anderen Instituten be- kommt, weil dort die Schnittstellen noch feh- len. Die Erste Bank hat es schon mit Screen Scraping probiert. Damit können Sie Konten aggregieren, aber nicht über moderne APIs (Application Programming Interfaces, offene Schnittstellen, die Fremddienstleistern den Zu- griff auf Konten erlauben, Anm.), sondern darüber, dass man Benutzeroberflächen aus- liest. Ich würde sagen, die österreichischen Banken sind nicht hintennach, es gibt eher die technischen Möglichkeiten nicht. In Deutsch- land, wo es diese APIs schon seit den 80er- Jahren gibt, oder in England, wo einheitliche technische Standards vorgegeben sind, ist die Aktivität natürlich höher. Aber selbst da sieht man noch sehr wenige wirkliche Anwen- dungen. Technik und Kundenbereitschaft mögen Gründe sein, warum die Institute sich noch zurückhalten. Aber auch andere europäische Banken haben schon aktiv Lösungen im Sinne der PSD II am Markt, etwa die spanische BBVA. Dazu kommt, dass für die österreichischen Banken die CEE-Märkte so wichtig sind. Und dort sind die Kunden viel technologieoffener, sie vertrauen Fir- men wie Apple oder Facebook viel eher. Ist es aus diesem Blickpunkt nicht gefährlich, neuen Finanzmarktteilneh- mern tatenlos das Feld zu überlassen? Chikova: Tatsächlich sind zum Beispiel in Kroatien 44 Prozent der Nutzer bereit, Daten mit wenig oder keinen Bedenken an Drittanbieter weiterzugeben und diese im eigenen Namen handeln zu lassen. In Österreich sind es wie gesagt nur 24 Pro- zent. In Rumänien sind es 37 Prozent. Ita- lien ist auch weit vorn. Das zeigt unsere Untersuchung. Aber ich sehe das von einer anderen Seite: Die österreichischen Banken haben in Osteuropa die Möglichkeit, Lösun- gen zu testen oder die Abnahme zu sehen, be- vor etwas in Österreich oder anderen Ländern implementiert wird. Aus Märkten wie Kroa- tien kamen in den letzten Jahren sehr viele Innovationen. Auch einige heimische Banken werden in solchen Märkten von Kunden als Innovationstreiber gesehen. Testen die heimischen Banken Ihrer Beobachtung nach konkrete PSD-II- Anwendungen in CEE-Märkten? Chikova: Es gibt viele Überlegungen. Ich habe noch keine echte Lösung gesehen, die sich am Markt etabliert hätte. Aber alle stehen in den Startlöchern. Das sind auch wichtige Märkte für italienische und französische Banken, die ebenfalls in Osteuropa tätig sind. Kaucic: Es wird spannend zu sehen, wer da kommenden Herbst was lanciert, wie es an- genommen wird und wie innovativ das ist. Eine Möglichkeit wie die Kontoaggregation ist zwar spannend, aber das ist kein Tool, wo der Kunde fünfmal pro Woche mit seiner App einsteigt, um zu schauen, wie die eigenen Die Zahlungsdiensterichtlinie PSD II ist ein Schreckgespenst für jede Hausbank, weil diese das Recht verliert, die Kundendaten allein zu nutzen. Daniela Chikova und Achim Kaucic von der Unternehmensberatung A.T. Kearney haben weitergedacht und sich überlegt, was die Regulierung für die Finanzbranche insgesamt bedeutet. „Derzeit sehen die Kunden » Der Knackpunkt von Open Banking ist, dass die Kunden bereit sein müssen, ihre Daten zu teilen. In Österreich sind das nur 24 Prozent der Konsumenten « Daniela Chikova, A.T. Kearney bank & fonds I daniela chikova und achim kaucic | kearney 224 www.fondsprofessionell.at | 4/2018

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