FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018

Foto: © Günter Menzl S eit Oktober ist die Fusion der Wie- ner Städtischen mit der S Versiche- rung (Sparkassen Versicherung) im Firmenbuch eingetragen. Damit ist die Wiener Städtische offiziell der neue öster- reichische Marktführer bei den Lebens- versicherungen; die Uniqa muss sich dahinter einreihen. Leicht wird es aber für die Städtische auch auf dem Top-Platz nicht, denn die Gesellschaft muss – eben- so wie die Konkurrenz – einen Ausweg aus der Krise der Lebensversicherung fin- den. Die Sparte verzeichnete 2017 öster- reichweit das dritte Jahr in Folge einen Prämienrückgang. Städtische-Chef Robert Lasshofer kann jedenfalls dank der Fusion den Bankver- trieb über den jahrzehntelangen Partner Erste Bank und Sparkassen voll ausschöp- fen: Vor allem Sach-, Kranken- und Unfall- versicherungen der Städtischen sollen über den Schalter deutlich zulegen. Herr Lasshofer, die Wiener Städtische ist seit heuer der größte Lebensversicherer Österreichs. Ist das ein Segen oder ein Fluch? Die Lebensversicherungen haben es momentan ja schwer. Robert Lasshofer: Es ist ein Segen, das muss man ganz deutlich sagen. Mit der Fusion ist ein Versicherungsunternehmen mit rund drei Milliarden Euro Prämien entstanden, davon 1,4 Milliarden in der Lebensversicherung. Ich stimme nicht so gern ein in diesen Abgesang. Dass es in der staatlichen Pensionsversiche- rung lebenslange Durchrechnungszeiträume gibt (seit der Pensionsreform 2004, Anm.), führt dazu, dass die Versorgungslücke zwi- schen Aktiv- und Pensionseinkommen größer wird. Vor diesem Hintergrund ist private Vorsorge wichtig. Natürlich sind wir geldpolitisch in einer Phase, wo Sparen keinen Wert mehr hat. Das ist abnormal. Ich halte die geldpolitischen Maßnahmen zwar für richtig, aber zwischen Medizin und Doping steht immer die Frage der Dosis und der Dauer. Wenn man die Zei- chen richtig deutet, wird es nun peu à peu eine Rückkehr zur Normalität geben. Auch wenn wir in absehbarer Zeit keine Zinssätze sehen wie vor der Finanzkrise, bekommt Spa- ren wieder einen Wert. Mir ist aber etwas be- sonders wichtig: Alle sind in der Lebensver- sicherung so fixiert auf den Ansparprozess. Beim Fußball sagt man, dass das Match in der zweiten Halbzeit entschieden wird, also in der Auszahlungsphase. Man sollte daran einmal in der Lebensversicherung denken; da werden lebenslange Renten sichergestellt. Es gibt kein anderes Finanzprodukt, das das kann. Und wenn man älter wird als die durchschnittliche Lebenserwartung, ist die Lebensversicherung ein gutes Geschäft. Mit großartigen Renditen. Wir unterschätzen unsere Langlebigkeit drastisch, zeigen Erhebungen. Dass Ab- sicherung aufgrund der Altersstatistik sinnvoll wäre, ist das eine. Das andere ist die Realität, die der Versicherungsbera- ter vorfindet. Er sitzt Kunden gegenüber, die zuletzt nur gelesen haben, „die Le- bensversicherung produziert Verlierer“. Haben die Versicherer selbst einen Feh- ler gemacht, das Lebensthema so stark mit Gewinnversprechen zu vermarkten? In den letzten 15, 20 Jahren ist die Le- bensversicherung sehr breit geworden; denken Sie an fonds- und indexgebunde- ne Versicherungen. Wenn man bedenkt, dass wir als Wiener Städtische seit 194 Jahren Versicherung machen, sind das relativ neuzeitliche Entwicklungen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass Fondsgebundene heißt, es gibt Volatilitä- ten, aber dadurch auch höhere Ertrags- chancen. Wir sehen im Übrigen, dass die Fondsgebundene wieder im Kommen ist. Aber abgesehen davon muss man sagen: Wir haben uns in den letzten Jahren ein wenig von dem entfernt, was die Lebens- versicherung vor allem kann, nämlich das Absichern individueller Lebensrisiken wie Berufsunfähigkeit oder Pflegebedürf- tigkeit. Wir versichern unser Auto gegen jeden Kratzer, auf uns selbst schauen wir we- niger. Dass man seine biometrischen Risiken absichert, kommt aber sicher stärker in die Köpfe. Ich würde mich dringend dagegen wehren, dass die Lebensversicherung aus der Mode gekommen ist. Ich glaube, dass sie weiter ein sehr zeitgeistiges Produkt ist. Auf Biometrie setzen jetzt alle Versiche- rungen. Wie gehen Sie vor? Wir haben zwei große produktpolitische Ver- änderungen vorgenommen. Zum einen haben wir das Produkt Multi Protect, eine Berufs- unfähigkeitsversicherung. Da gibt es in Öster- reich meines Erachtens noch ein sehr großes Potenzial. Das zweite sind Hybridprodukte, die die Sicherheit einer klassischen Lebens- versicherung mit den Ertragschancen einer fondsgebundenen Lebensversicherung kom- binieren. Den Beratungsprozess macht das nicht einfacher, aber wir sehen darin eine vernünftige Lösung für die Kunden. Apropos Beratung: Wie hat sich die Palette der Fonds verändert, die Ihr Vertrieb empfehlen kann? Wir hatten in der Hochblüte 150 Fonds. Mitt- lerweile sind wir bei unter hundert Fonds. „Ich würde mir mehr Soli » Wir haben uns in den letzten Jahren ein wenig von dem entfernt, was die Lebensversicherung vor allem kann, nämlich das Absichern individu- eller Lebensrisiken. « Mag. Robert Lasshofer, Wiener Städtische Seit heuer ist die Wiener Städtische Versicherung Marktführer bei den Lebensversicherungen in Österreich. Generaldirektor Robert Lasshofer spricht im Interview nicht nur über die Krise der Lebenssparte, sondern auch über eine Fusions-Anekdote mit europäischem Flair und ernste gesellschaftliche Sorgen. fonds & versicherung I rober t lasshofer | wiener städtische 166 www.fondsprofessionell.at | 4/2018

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