FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2018

Foto: © Roberto1977 | Dreamstime.com D ie österreichische Kapitalmarktpolitik ist schon länger widersprüchlich: Einer- seits wurden strukturierte Beteiligun- gen anlässlich der AIFM-Regulierungen für Privatanleger de facto aus dem Verkehr gezogen, andererseits können dieselben In- vestoren durch das Crowdfundinggesetz ungeprüften riskanten Investments ihr Geld hinterherwerfen. Durch die Umsetzung der EU-Prospektverordnung können Unterneh- men von Anlegern nun sogar bis zu vier Mil- lionen Euro einsammeln, ohne dafür einen Prospekt aufzulegen. Vorgeschrieben ist ledig- lich ein oberflächliches Informationspapier, das für eine Anlageentscheidung nicht taug- lich und wegen der fehlenden Informations- tiefe dem Verbraucherschutz nicht dienlich ist. Projekt Neudeggergasse Das aktuelle Crowdinvestment „Neudeg- gergasse 14“, das federführend von der Platt- form Immofunding promotet wird, ist ein markantes Beispiel dafür, dass das im Alter- nativfinanzierungsgesetz vorgeschriebene Informationsblatt erhebliche Schwächen hat. Mangels Transparenz können die Interes- senten das Angebot nicht plausibilisieren, und damit ist eine qualitative Investitionsentschei- dung nicht möglich. Die Neudeggergasse in Wien befindet sich zwar in einer sehr guten Lage in der Nähe der Wiener Ringstraße. Allerdings werfen die In- formationen, die man bei Immofunding und auf den mitwerbenden Plattformen Firstcap und Leihdeinerumweltgeld zu dem Projekt bekommt, mehr Fragen auf, als sie beantwor- ten. Klar wird insoweit nur, dass sich die Investoren an der Kernsanierung und Revi- talisierung eines alten Zinshauses beteiligen sollen. Der Projektentwickler möchte daraus ein „Energieeffizienzhaus“ machen, das Dach ausbauen und schließlich 19 Eigentumswoh- nungen und drei Garagenplätze verkaufen. In der Werbung sind das Grundstück und die Finanzierung unter Berücksichtigung von 900.000 Euro aus der Crowd gesichert. Einer weiterführenden Internetrecherche, wie sie gerade für Crowdinvestments typisch ist, hal- ten die Angaben aber nicht unbedingt stand. So heißt es zum Beispiel, dass die Projektent- wicklungsgesellschaft das Grundstück erwor- ben hat. Ein Blick auf den aktuellen Grund- buchauszug bestätigt das aber nicht. Erst auf Nachfrage erklärt Projektentwickler Alexander Kirchmayr gegenüber FONDS professionell, dass der Kaufvertrag im Juli 2018 geschlossen und der Kaufpreis im September 2018 gezahlt worden sei. Die Verbücherung der Eigentums- übertragung dauere bis zu sechs Monate. Die- se Klarheit lässt das ebenfalls im September erstellte Informationsblatt vermissen. Transparenzdefizit Apropos Kirchmayr: Verschwiegen wird auch, dass der 31-jährige Jungunternehmer indirekt an der Plattform Immofunding betei- ligt ist. Wichtiger als das sind natürlich seine Qualitäten als Immobilienentwickler. In der Werbung heißt es dazu nur, dass Kirchmayr 14 Projekte mit einem Volumen von 43 Mil- lionen Euro realisiert habe. „Die Rendite war natürlich von Projekt zu Projekt unterschied- lich, meine Benchmark von sieben Prozent per annum habe ich jedoch meist übertroffen“, gibt Kirchmayr auf Nachfrage an. Diese Latte wird er auch in der Neudegger- gasse überwinden müssen. Denn für die schö- ne Liegenschaft zahlt die Projektgesellschaft den stolzen Preis von 4,5 Millionen Euro. Dafür sind die Baukosten, wenn hochwertig gearbeitet werden soll, unter Berücksichtigung des Dachausbaus, der aufwendigen Sanierung und der Baustellenkosten in beengten Innen- stadtlagen mit 2,6 Millionen Euro eher knapp bemessen. Auffallend hoch sind die Bau- nebenkosten in Höhe von 715.000 Euro und die Finanzierungskosten in Höhe von 648.312 Euro. Wie diese zustandekommen, erfahren die interessieren Crowdinvestoren nicht. Mit dem Verkauf der Wohnungen soll bereits Anfang 2019 begonnen werden, ob- wohl noch keine Baugenehmigung vorliegt. Die Verkaufseinnahmen fließen allerdings in die Finanzierung des 8,5 Millionen Euro schweren Projekts. Die Fertigstellung ist für Herbst 2020 geplant. Dann läuft auch das Crowdinvestment aus. Kirchmayr erhofft sich aus dem Projekt einen Bruttogewinn von rund zwei Millionen Euro. An diese Kalkulation ging er sehr sport- lich heran. Die Wohnungskäufer sollen durch- schnittlich 8.763 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche (inklusive Balkon beziehungswei- se Terrasse) zahlen. Wenn man davon ausgeht, dass die günstigsten Wohnungen in dem Pro- jekt tatsächlich „nur“ 6.000 Euro kosten, müs- sen die anderen Wohnungen deutlich mehr als 9.000 Euro kosten. Tatsächlich wird im „Wohnungsmarktbericht 2018“ von Buwog und EHL der durchschnittliche Kaufpreis für neu gebaute Eigentumswohnungen in diesem Bezirk mit 6.000 Euro angegeben. Insofern ist der Einschätzung der Plattform Leihdeiner- umweltgeld nichts hinzuzufügen: „Der Preis pro Quadratmeter liegt über dem durchschnitt- lichen Kaufpreis im Stadtbezirk Josefstadt.“ Projekt Steggasse 4 und 8 Seit fünf Jahren wirbelt Wolfgang Stabauer mit seiner Öko-Wohnbau durch den Markt. Er ist unter anderem exklusiver Vertriebspartner des Immobilienentwicklers Silver Living und dabei durchaus erfolgreich. Zurzeit kursieren im Markt allerdings Gerüchte, dass es bei Pro- jekten von Silver Living zu Verzögerungen und Planabweichungen gekommen sei. Auf diese Gerüchte angesprochen, reagierte Sta- bauer nach Anfrage von FONDS professionell prompt und transparent. Demzufolge sind die ersten gemeinsamen Projekte von 2014 und 2015 planmäßig abgeschlossen und an die Sachwert radar FONDS professionell liefert einen Überblick über die aktuell in Zeichnung befindlichen Beteiligungen. Auf Crowdfunding-Plattformen können Unternehmen ohne großen Aufwand Investorenkapital akquirieren. Dabei fehlen den Anlegern oft wichtige Informationen. 164 www.fondsprofessionell.at | 4/2018 sachwerte I sachwer teradar

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