FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2018

4 www.fondsprofessionell.at | 3/2018 brief der herausgeber R obert Shiller, Yale-Professor und Nobelpreisträger, ist der brei- ten Anlegerschaft vor allem dank des von ihm entwickelten Aktienbewertungsansatzes bekannt. Shiller entwickelte das klassische Kurs-Gewinn-Verhältnis weiter, indem er nicht den Un- ternehmensgewinn des aktuellen oder des kommenden Jahres ver- wendete, sondern den Durchschnitt der Unternehmensgewinne über zehn Jahre betrachtet. Diesen Wert vergleicht er dann – inflations- bereinigt – mit dem Kurs. Dieses Shiller P/E (P/E steht für Price- Earnings Ratio) wird weltweit beachtet, weil es historisch gut funk- tioniert hat, wenn es darum ging, Phasen „überbewerteter“ Aktien- märkte zu erkennen. Weil der Durchschnittswert für dieses Kurs-Ge- winn-Verhältnis etwa bei 16 liegt, werden alle Werte, die darüber lie- gen, als bedenklich eingestuft. Und das ist jetzt schon seit Jahren der Fall. Jüngst bestätigte auch Shiller einmal mehr, dass Aktien – ge- meint sind US-Aktien – aktuell teuer seien, er fügte in einem Inter- view mit der Nachrichtenagentur Bloomberg aber hinzu, dass dies noch sehr lange so bleiben könne. Der Yale-Forscher sieht im Hö- henflug der US-Aktienindizes eine Art irrationalen Optimismus, der mit der Präsidentschaft Donald Trumps zusammenhänge. Shiller spricht von einem riskanten Markt, verweist aber eben auch darauf, dass „sein“ KGV auch schon deutlich höher lag, als das derzeit der Fall ist. Mitte September lag es bei 33 (siehe www.multpl.com/ shiller-pe), der historische Höchststand lag aber bei fast 45. Auch andere Bewertungsindikatoren signalisieren ähnlich hohe Werte. So erwies sich etwa die Gewichtung von Aktien in den Port- folios privater Anleger als erstaunlich treffsichere Bewertungsmetho- de. Im langjährigen Rückblick pendelt dieser Wert zwischen 25 und 50 Prozent. Haben Amerikaner wenige Aktien in ihren Depots, sollte man kaufen, nähert sich der Wert der 50-Prozent-Marke, wird es heikel. Besonders interessant ist eine Gegenüberstellung dieses Werts mit der Zehnjahresrendite des S&P 500 Index. Dieser Wert pendelt zwischen minus drei und plus 20. Bei hoher Aktiengewichtung darf man keine oder nur geringe Erträge erwarten und umgekehrt. Derzeit ist die Gewichtung von Aktien in US-Portfolios mit rund 43 Prozent hoch, aber noch nicht auf Rekordniveau. Wenn der seit dem Zweiten Weltkrieg beobachtbare Zusammenhang intakt bleibt, dürfen Käufer von US-Aktien über die kommenden zehn Jahre mit einer annualisierten Rendite von etwas mehr als drei Prozent rechnen. Darüber, wie sich diese Erträge verteilen, liefert die Analyse allerdings keinerlei Aufschluss. Mit anderen Worten: Der amerikanische Aktien- markt – und damit wohl auch die meisten anderen – kann jederzeit drehen, muss das aber nicht tun. Irgendwann wird es aber passieren, und danach beginnen für Anla- geberater wieder schwierige Zeiten. Dann geht es darum, Investoren, die beim Kauf davon überzeugt waren, über einen langen Anlageho- rizont und die dafür nötige Nervenstärke zu verfügen, vor dem alten Fehler „Buy high and sell low“ zu bewahren. Ein sehr nützliches Hilfsmittel dafür hat im August der Herausgeber des Börsenbriefs wellenreiter-invest.de publiziert. Robert Rethfelds charttechnische Analysen sind stets lesenswert, sein Artikel „Aktie schlägt Matratze“ sollte aber zur Standardausrüstung jedes Finanzberaters gehören. Der Chartanalyst rechnet darin vor, dass man langfristig sogar mit einem zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt getätigten Nikkei-Invest- ment einen Bargeld-Sparer abgehängt hätte. Es gibt wohl keine über- zeugendere Argumentation für Aktien. Denn sieht man sich die Ent- wicklung des Nikkei Index der Börse Tokio seit dem Höhepunkt der Japan-Hausse der 1980er-Jahre an, stellt man fest, dass der japanische Leitindex auch 30 Jahre danach noch deutlich tiefer notiert. Basis von Rethfelds Kalkulation ist der Nikkei Index inklusive Dividenden seit Ende 1988. Unterstellt man eine Wiederveranlagung der ausgeschütteten Unternehmensgewinne, wird aus dem Verlust des Index in Höhe von 28 Prozent ein Gewinn in Höhe von 17 Pro- zent. Bereinigt man diesen Wert um die Inflation, gelangt man zu einem realen Minus in Höhe von 2,7 Prozent. Das ist nicht berau- schend, vergleicht man es aber mit demAnlageergebnis von Bargeld, dann erkennt man, dass man damit heute 15 Prozent ärmer wäre als Ende 1988. Diese Berechnungen sollte man allen Privatanlegern näherbringen, die ihr Geld seit Jahren aus Angst vor dem Kapital- markt unverzinst auf Konten horten. Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Herbst und laden Sie einmal mehr ein, sich den FONDS professionell KONGRESS (6. und 7. 3. 2019) im Kalender vorzumerken. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Die aktuelle Aktienhausse kommt in die Jahre. Was heißt das für Anleger, die heute erstmals in den Markt einsteigen? Ein überzeugendes Argument Foto: © Marlene Fröhlich Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi

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