FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2018

A ller guten Dinge sind drei. So viele mü- hevolle Anläufe brauchte zumindest die Politik zwischen Herbst 2017 und Sommer 2018, um die problematischen Ver- sicherungsrücktrittsrechte durch ein neues Ge- setz zu regeln. Die gewonnene Rechtssicher- heit können die Versicherungsunternehmen aber kaum genießen. Dafür sorgen zum einen Prozessfinanzierer, die bis Jahresende noch ein Klagsfeuerwerk veranstalten wollen. Zum anderen steht die Frage im Raum, ob die Ge- setzesnovelle wirklich europarechtskonform ist. Kostspielige Altregelung Im Juli haben die Regierungsparteien das für die Versicherungswirtschaft erlösende Ge- setz im Nationalrat durchgeboxt, das dem kostspieligen und rechtlich zweifelhaften „ewigen Rücktrittsrecht“ einen Riegel vor- schiebt. Ab 1. Jänner 2019 kann ein Versiche- rungsnehmer selbst bei Falschbelehrung nur mehr beschränkt von seinem Lebensversi- cherungsvertrag zurücktreten (siehe Kasten). Damit fällt eine millionenschwere Last von den Versicherungen ab. Sie mussten ja nach alter Ordnung Kunden oft selbst aus längst ausgezahlten Lebenspolizzen „zurücktreten“ lassen und ihnen in vielen Fällen alle Provi- sionen samt Zinsen erstatten. Dafür genügte es, wenn der Kunde eine mangelhafte Rück- trittsbelehrung belegen konnte. Das war bei Verträgen, die bis 2012 geschlossen wurden, relativ leicht. Schuld waren Doppelgleisigkei- ten und Grauzonen im Gesetz. Wie viel diese Spätrücktritte bis jetzt gekostet haben, mag zwar kein Branchenvertreter schätzen, fest steht jedenfalls: Im Oktober 2017 legte die Versicherungswirtschaft „einen namhaften Betrag in zweistelliger Millionenhöhe“ auf den Tisch, um sich mit 7.000 rücktrittswil- ligen Kunden einer VKI-Sammelaktion zu vergleichen. Dazu kommen noch die Ein- zelvergleiche, die abseits der Öffentlichkeit geschlossen wurden, sowie die zahlreichen Klagen, die Kunden mithilfe von Prozess- finanzierern eingereicht haben. Klagen im Akkord eingebracht Wie es aussieht, werden die Versicherungen die Prozessfinanzierer trotz der Gesetzesbe- reinigung nicht so bald abschütteln können. Die Novelle macht nämlich Druck: Ein Spät- rücktritt nach alter Rechtslage kann nur noch bis Ende 2018 erklärt werden. Das führt dazu, dass jetzt die letzten rücktrittsbereiten Kunden mit Nachdruck zusammengetrommelt wer- den. Der Liechtensteiner Prozessfinanzierer EAS bringt anscheinend Klagen im Akkord ein: „Wir waren auf einem sehr guten Weg, uns mit Versicherern zu vergleichen, die ha- ben aber angesichts der neuen Gesetzeslage alle Gespräche abgebrochen. Wir gehen jetzt täglich mit 15 bis 20 Klagen zu Gericht, ge- bündelt jeweils gegen einzelne Gesellschaf- ten“, sagt EAS-Mann Wolfgang Ender. Er ist sich sicher, dass auch die bis zum Schluss ein- gebrachten Klagen gewonnen werden. „Wir würden das finanzielle Risiko nicht auf uns nehmen, wenn wir uns nicht sicher wären“, so Ender. EAS habe bisher alle Klagen ge- wonnen oder mit Vergleich abgeschlossen. Ender erwartet, dass sich bis Jahresende noch „rund tausend neue Kunden pro Monat“ mel- Das Gesetz bereinigt endlich die heikle Frage der Spätrücktritte von der Lebens- versicherung. Doch immer noch sind Verfahren anhängig. Auch vor dem EuGH. Ewig währt der Rücktritt Im österreichischen Gesetz wurde heuer beschlossen, dass unbefristete Rücktritte bei der Lebensversicherung der Vergangenheit angehören. Wenn es nur so einfach wäre: Der EuGH könnte einmal mehr anders entscheiden. Das gilt bei mangelhafter Belehrung ab 2019 Bei einem Rücktritt im ersten Jahr muss der Versi- cherer die volle Prämie einschließlich der Abschluss- kosten rückerstatten, aber keine Zinsen zahlen. Ab dem zweiten bis zum Ende des fünften Jahres wird der Rückkaufswert ausbezahlt, dabei darf der Versicherer die Abschlusskosten anteilsmäßig berücksichtigen. Der Kunde zahlt keine Stornoge- bühren, Veranlagungsverluste muss er aber tragen. Ab dem sechsten Jahr wird nur noch der Rück- kaufswert abzüglich Stornogebühren erstattet. Der Rückkaufswert besteht aus den einbezahlten Prämien minus Risikoanteil minus aller angefallenen Kosten minus allfälligem Stornoabschlag plus allfäl- ligen Garantiezinsen und Gewinnanteilen. Damit ist der tatsächliche Zeitwert der Versicherung definiert. Quelle: Sozialministerium und Versicherungsvertragsgesetz » Wir gehen jetzt täglich mit 15 bis 20 Klagen zu Gericht, gebündelt jeweils gegen einzelne Gesellschaften. « Wolfgang Ender, Prozessfinanzierer EAS Foto: © Thomas Reimer | stock.adobe.com 246 www.fondsprofessionell.at | 3/2018 steuer & recht I lebensversicherungen

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