FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2018

wohlfühlen. Ein entspannter Dresscode und die relativ nüchternen Büroräumlichkeiten bieten zwar etwas weniger Glanz als die Quartiere vieler Mitbewerber, doch das ist Absicht. Vanguard versucht sich bewusst vom „glamourösen“ Image der Finanzbranche zu distanzieren. Aus diesem Grund befindet sich auch der Hauptsitz des Vermögensverwalters nicht an der Wall Street, sondern im „langweiligen“ Malvern, Pennsylvania – weit weg von der Hektik der Börsen und der Jagd nach kurzfris- tigen Gewinnen. Viele Angestellte, darunter auch einige in führenden Positionen, sind be- reits seit ihren Collegejahren mit an Bord. Ins- gesamt ist die Fluktuationsrate gering, auch auf der Führungsebene. Seit Gründer Jack Bogle gab es nur drei verschiedene CEOs. Jeder von ihnen hatte genug Zeit, seine Stra- tegie ohne Druck von Aktionären dau- erhaft umzusetzen. Auch die leitenden Angestellten des Londoner Büros kommen mehrheitlich aus der US- Zentrale Vanguards. Da die Gesell- schaft aber in Europa sehr ehrgeizige Ziele hat, ist es unumgänglich, für die Expansionspläne auch Mitarbeiter von Konkurrenten abzuwerben. Erst kürz- lich wurde am Standort Frankfurt ein neues Büro mit einem sechsköpfigem Team eröffnet. Mifid II statt Provisionen Im Fokus haben die Amerikaner hier ganz klar den Retailbereich, weil sie im institutionellen Geschäft kurz- fristig wenig Potenzial sehen – zu dominant ist in Deutschland die Rolle der Spezialfonds- mandate. Und „Extrawürste“ will Vanguard auch für Großanleger nicht braten. Übrigens landet man auch bei der nahelie- genden Frage, warum erst jetzt ein Deutsch- land-Büro eröffnet wurde, beim Kostenargu- ment. Da Vanguard weder für den Verkauf seiner Produkte noch für Listings auf Fonds- plattformen Provisionen bezahlt, wäre ein Markteintritt in den zurückliegenden Jahren schwierig bis unmöglich gewesen. Mit Ein- führung der seit diesem Jahr geltenden EU- Richtlinie Mifid II erwartet sich die ameri- kanische Fondsgesellschaft nun eine neue Ausgangslage. Als Blaupause dienen dabei die Erfahrun- gen in Großbritannien. In London eröffnete Vanguard sein erstes Büro im Jahr 2009 – ge- nau rechtzeitig, um sich am dortigen Markt zu positionieren. Im Blick hatte man dabei die Ende 2012 in Kraft getretene „Retail Distri- bution Review“ (RDR), die für den britischen Markt eine Zäsur darstellte. Seit Einführung der RDR dürfen keine Provisionen mehr ver- langt werden, die Finanzberater mussten voll- ständig auf Honorarberatung umstellen. Be- trachtet man die Grafik mit den Nettoverkäu- fen von Indextracker-Produkten, fällt auf, dass diese zwar kurzfristig gefallen sind, nach dem Provisionsverbot aber einen kometenhaften Anstieg verzeichneten. Die Korrelation zwischen Honorarbe- ratung und passiven beziehungsweise kostengünstigen Produkten ist also kaum zu bestreiten – und spielt einem Vermögensverwalter wie Vanguard genau in die Hände. Neben den Büros in London und Frankfurt verfügt Vanguard außerdem über drei weitere Standorte in Europa: Paris, Zürich und Amsterdam – alles Länder, in denen bereits ein Provisionsverbot oder strenge Offenlegungspflichten beste- hen. Schon bald soll auch ein Büro in Italien folgen, ein Länderchef ist be- Thomas Bartolacci, Head of ETF Capital Markets Europe bei Vanguard (verantwortlich für den „Creation and Redemp- tion“-Prozess): „Die Prozesse bei Vanguard verlaufen wie in einem gewaltigen Ökosystem. Alles hängt zusammen.“ Jede Kommastelle zählt: Bei der Anpassung der Indizes wird um jeden Basispunkt gekämpft. » Wir sagen unseren Klienten, dass Investieren genau so langweilig ist wie Gesundheitstipps. « Mark Fitzgerald, Vanguard Auswirkungen des Provisionsverbots Nettoverkäufe von Indexfonds im Vereinigten Königreich Seit dem Ende 2012 eingeführten Provisionsverbot haben sich die Netto- verkäufe von Indexfonds in Großbritannien beinahe verdreifacht. Quelle: IMA 0 200 400 600 800 1.000 1.200 Nettoverkäufe Indexfonds Provisionsverbot 2014 2013 2012 2011 2010 204 www.fondsprofessionell.at | 3/2018 vertrieb & praxis I vanguard Foto: © Sarah Weal

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