FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2018
219 www.fondsprofessionell.at | 2/2018 lagung aufgeklärt und über meine Einstufung als Kunde informiert wurde.“ Die beklagte Bank rechtfertigte sich im Prozess damit, dass es sich bei dieser Klausel um eine reine Wis- senserklärung des Kunden, also eine bloße Nachricht über Tatsachen, und nicht um eine im Verbandsprozess anfechtbare Vertragsbe- stimmung handelt. Der OGH ließ sich davon nicht überzeugen. Er hielt fest, dass es im Er- gebnis keinen Unterschied macht, ob der Ver- braucher durch intransparente Klauseln oder Tatsachenbestätigungen von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird. Dieser Ansicht folgend erklärte der OGH – neben der zu Be- ginn angeführten Klausel – noch zehn weitere als unwirksam. Im Folgenden soll auf jene be- troffenen Klauseln, die in der Branche häufig verwendet werden, eingegangen werden. Voranzustellen ist, dass in AGB oder Ver- tragsformblättern enthaltene Klauseln dann unwirksam sind, wenn sie unklar oder unver- ständlich verfasst wurden. Dabei genügt es für eine wirksame Klausel noch nicht, wenn sie rein vom Text her verständlich ist. Der Ver- braucher muss auch in der Lage sein, den Inhalt und die Tragweite der Bestimmung durchschauen zu können. Maßstab ist das Verständnis eines typischen Durchschnitts- kunden für die jeweilige Vertragsart. Gerade diese „Durchschaubarkeit“ war bei der folgenden Klausel nicht gegeben: „Ich be- stätige, dass ich über alle wesentlichen Bedin- gungen und Konsequenzen betreffend das oben angeführte Geschäft im Rahmen meiner Kundenangaben verständlich informiert wur- de.“ Solche Tatsachenbestätigungen sind in einem Prozess wegen Fehlberatung zumeist nur bedingt hilfreich, um eine korrekte Bera- tung beweisen zu können. Sie können aber dennoch als Indizien für die Richtigkeit der Behauptung des Beraters herangezogen wer- den. Gerade darin sah der OGH die Nachtei- ligkeit für den Verbraucher. Es könnte schließ- lich beim Anleger der Eindruck entstehen, dass er sich durch diese Bestätigung die Mög- lichkeit genommen hat, Schadenersatzan- sprüche gegen seinen Berater durchzusetzen. Dem Verbraucher wird ein unklares Bild über seine Rechtslage vermittelt. Der Inhalt und die Tragweite dieser Bestätigung sind für ihn somit nicht klar. Mit der Bestätigung „Es wurden mir/uns sämtliche Produktunterlagen angeboten“ wird dem Verbraucher nicht verständlich erklärt, welche Informationen ihm in wel- chem Umfang angeboten wurden bezie- hungsweise hätten angeboten werden sollen. Ebenso ist mit der Bestätigung „Mit ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass Sie über die Chancen und Risiken von Veran- lagungsprodukten aufgeklärt wurden“ nicht klar genug offengelegt, über welche Risi- ken und Finanzprodukte der Anleger auf- geklärt wurde oder hätte aufgeklärt werden sollen. Beide Tatsachenbestätigungen sind damit ach Meinung des Höchstgerichts intransparent und damit gesetzwidrig. Verbotene Beweislastumkehr Neben der erforderlichen Transparenz dürfen Klauseln in AGB oder vorgefertigten Urkunden die gesetzliche Beweislastver- teilung (diese regelt, welche Partei in einem Zivilprozess für eine bestimmte Tatsache beweispflichtig ist) nicht zum Nachteil des Verbrauchers abändern. Dies war nach Ansicht des OGH bei den beiden folgenden Klauseln der Fall. Die Bestätigung „Das gegenständliche Geschäft erfolgt auf meinen ausdrücklichen Wunsch und nicht auf Empfehlung des Bera- ters. Eine Eignungsprüfung gemäß § 44 WAG wurde daher nicht durchgeführt. Auch im Fall eines negativen Ergebnisses bei der Angemes- senheitsprüfung gem. § 45 WAG bestehe ich dennoch auf der Buchführung des gegen- ständlichen Auftrags“ bezieht sich auf ein be- ratungsfreies Geschäft. Ein beratungsfreies Geschäft bildet die Ausnahme der allgemei- nen Pflicht zur Angemessenheitsprüfung der ausgewählten Anlageprodukte. Für das Vor- liegen einer solchen Ausnahme ist der Wert- papierdienstleister beweispflichtig. Mit der angeführten Bestätigung ändert sich jedoch nach Meinung des Höchstgerichts die Beweis- lastverteilung zulasten des Verbrauchers. Denn dieser müsste nun beweisen, dass – entgegen seiner Bestätigung – das Geschäft nicht auf seinen ausdrücklichen Wunsch durchgeführt wurde. Der Einwand der Bank, dass der Berater nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz dazu verpflichtet ist, den Kunden auf den Ent- fall des Schutzes durch die entsprechenden Wohlverhaltensregeln hinzuweisen (wofür die Klausel vorgesehen war), überzeugte den OGH nicht. Auch Formulierungen wie „Ich habe Kenntnis von den Allgemeinen Geschäftsbe- dingungen und bin mit diesen einverstanden“ führen zu einer unzulässigen Beweislastver- teilung. Der Verbraucher müsste in diesen Fäl- len beweisen, dass er in Wahrheit – entgegen seiner Bestätigung – gar nicht die Möglichkeit hatte, die AGB zur Kenntnis zu nehmen. Mögliche Konsequenzen Wie die angeführte Rechtsprechung des OGH zeigt, gestaltet es sich heutzutage schwierig, standardisierte Urkunden zu ver- wenden, ohne gleichzeitig das Risiko einzu- gehen, verbraucherschutzwidrig zu handeln. Finanzdienstleistungsunternehmen stehen zusätzlich vor dem Problem, dass sie auf- sichtsrechtlich verpflichtet sind, ihre Dienst- leistungen zu dokumentieren. Durch den Verbraucherschutz werden sie jedoch in der möglichen Aufzeichnungsform stark ein- geschränkt. Dieser Konflikt ist etwa beim beratungsfreien Wertpapiergeschäft gut er- sichtlich: Einerseits müssen Wertpapierdienst- leister nachweisen können, dass der Kunde über den Entfall der Angemessenheitsprüfung informiert wurde (das Gesetz enthält sogar explizit die Möglichkeit, dass diese Warnung in standardisierter Form erfolgen kann). An- dererseits erklärte der OGH, dass eine solche standardisierte Klausel unwirksam ist. Möchte man nun aus der angeführten Rechtsprechung eine Konsequenz ziehen, ist es wohl diese: Die risikoärmste Vorgehens- weise wäre, grundsätzlich keine standardisier- ten Urkunden zu verwenden. Auf einzeln aus- verhandelte und damit nicht vorformulierte Klauseln sind die einschlägigen Regeln des Verbraucherschutzes nämlich nicht anzuwen- den. Ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist, sei da- hingestellt. Wie die konkrete Entscheidung des OGH daher in der Praxis umgesetzt werden soll, bleibt eine schwierige Frage. Grundsätzlich wäre es jedenfalls wünschens- wert, wenn die Höchstrichter bei solchen Entscheidungen auch verstärkt die Bedürf- nisse der Finanzdienstleister und deren auf- sichtsrechtliche Vorgaben berücksichtigen würden. Die Autoren: Mag. Christian Lenz ist Rechts- anwalt und Lou Martina Weber , MLaw, Exper- tin in der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Brandl & Talos Rechtsanwälte. Die Kanzlei berät Finanzdienstleister beim Erstellen von gesetzeskonformen Vertragsunterlagen. FP
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