FONDS professionell Österreich, Ausgabe 2/2018
Bundesrat Reinhard Pisec (FPÖ) gab in der Diskussion auf der RWB-Veranstaltung zu verstehen, dass mit dem Regierungswechsel ein frischer Wind in der Finanzmarktpolitik Einzug gehalten hat. „Der Kapitalmarkt war der Politik in den letzten Jahren kein Anliegen und für sie kein Thema. Das wurde einfach unter den Teppich gekehrt. Es hat zwei Jahre Knochenarbeit gedauert, bis wir jetzt ein Gesetz für die Schaffung des Dritten Marktes an der Wiener Börse in Begutachtung bringen konnten, das hoffentlich im Herbst umgesetzt wird. Es ist ein Anliegen der Regierung, klei- neren Unternehmen den Zutritt zum Kapital- markt zu ermöglichen.“ Der freiheitliche Unternehmer kritisierte zudem die grobe Benachteiligung Alternativer Investmentfonds gegenüber fast nicht regu- lierten Crowdinvestments. „Wir haben hier Nachholbedarf. Das AIFM-Gesetz ist überholt und wird in absehbarer Zeit korrigiert werden – im Interesse der Unternehmenskultur und der KMU, damit sie zu Kapital kommen, wo auch immer es herkommt“, versprach Pisec. Vorbild Deutschland Spannend wird in den kommenden Mona- ten sein, inwieweit die Regierung den Privat- anlegern mehr Spielraum für ihre Investi- tionen gibt. Die Koalitionsparteien seien sich einig, so ÖVP-Mann Hanger, dass den Bür- gern mehr Freiheit und mehr Eigenverantwor- tung gegeben werden müsse. „Wir brauchen einen qualitätsvollen Diskurs und gegenseiti- ges Verständnis. Dann können gute Gesetze entstehen“, meint Hanger. In den Augen von RWB-Austria-Geschäfts- führerin Birgit Schmolmüller wäre die deut- sche Umsetzung der AIFM-Richtlinie eine ge- eignete Vorlage für die österreichische Politik. Deutschland hat 2013 das Kapitalanlagege- setzbuch eingeführt, in dem die EU-Vorgaben vergleichsweise liberal umgesetzt wurden. Schmolmüller spricht natürlich in erster Linie für Private-Equity-Fonds. Aber wenn das AIFM-Gesetz schon überarbeitet wird, wäre es auch aus gesamtwirtschaftlichen Überle- gungen richtig, andere grundsätzlich sinnvolle Beteiligungen in Sachwerte wie Immobilien, Erneuerbare-Energie-Anlagen und Eisenbah- nen wieder zugänglich zu machen. Man darf dabei nicht übersehen, dass die Alternativen Investmentfonds auch in Deutschland streng und voll reguliert sind. Dort gibt es allerdings keine Absurditäten wie in Österreich, wo Pri- vatanleger zwar einen Managed-Futures- Fonds zeichnen dürfen, nicht aber einen trans- parenten und beaufsichtigten geschlossenen Immobilien- oder Solarfonds (zum direkten Vergleich der beiden AIFM-Gesetze siehe Infokasten auf der nächsten Seite). Bitte warten! Mit Alternativen Investmentfonds könnten notwendige Investitionen in der heimischen Wirtschaft, beispielsweise im Bereich Immo- bilien oder regenerative Energien, finanziert werden. Dazu ein Vergleich: In Deutschland haben die Publikumsfonds seit der AIF- Einführung mehr als vier Milliarden Euro bei Privatanlegern eingesammelt. Etwa die Hälfte davon ist in deutsche Immobilien geflossen, etwa 100 Millionen Euro in erneuerbare Ener- gien. Unter Berücksichtigung des Fremdkapi- tals, das manche Fonds moderat aufnehmen, steigt das Gesamtinvestitionsvolumen schät- zungsweise um eine weitere Milliarde Euro. Das müsste ganz im Sinne von FPÖ-Bundes- rat Pisec sein, der die Diskussion über das AIFM-Gesetz immer in den Kontext der hei- mischen Unternehmenslandschaft stellt. Bis zur Novelle ist es ein weiter Weg. Bis Mag. Reinhard Pisec, FPÖ: „Das AIFM-Gesetz ist überholt und wird in absehbarer Zeit korrigiert werden.“ Mag. Andreas Hanger, ÖVP: „Die Beschränkungen im Privatanlegervertrieb sollen aufgehoben werden.“ Die Geschichte des österreichischen AIFM-Gesetzes Im April 2013 bringt das Finanzministerium einen Begut- achtungsentwurf für das österreichische AIFM-Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Regulierung der Alter- nativen Investmentfondsmanager (AIFM) ein. Die Richtlinie war seit November 2010 bekannt und zwingend bis 22. Juli 2013 in nationales Recht umzusetzen. Erst im Juni 2013 wurde das Gesetz in den Nationalrat und in den Finanzausschuss des Nationalrats eingebracht. Im Juli wurde das AIFM-Gesetz durch National- und Bundesrat verabschiedet. In Deutschland hat das Finanz- ministerium den ersten Entwurf im Dezember 2012 ver- öffentlicht. Am 8. Juli 2014 wurde eine Novelle des AIFM-Gesetzes verabschiedet. Die damalige Regierung hat den „qualifi- zierten Privatkunden“ geschaffen, an den Alternative Investmentfonds (AIF) unter bestimmten Umständen ver- kauft werden dürfen. Beim sogenannten „nicht qualifzier- ten Privatkunden“ blieb der Gesetzgeber streng: Er darf zwar auch in Private-Equity-Dachfonds und in Fonds für Unternehmensbeteiligungen investieren, aber nur, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt: Die Privatkunden müssen bei einem Private-Equity-Dach- fonds oder einem Unternehmensbeteiligungsfonds min- destens 100.000 Euro zeichnen und dabei zumindest vier Jahre Erfahrung mit übertragbaren Wertpapieren haben. Das muss entweder der Fondsverwalter oder der Vertrieb überprüfen. Das Problem: Es gibt nur wenige „nicht qualifizierte“ Privatanleger, die 100.000 Euro am Stück in einen Alternativen Investmentfonds investieren. Der frühere FPÖ-Finanzsprecher und jetzige Staatssekretär im Finanzministerium Hubert Fuchs erklärte im Juli 2014 im Nationalrat: „Die Deutschen haben uns mit dem Kapitalanlagegesetzbuch gezeigt, wie man die AIFM- Richtlinie sinnvoll umsetzen kann. Nehmen wir uns doch ein Beispiel an der deutschen Regelung!“ Durch das im Sommer 2017 verabschiedete Mittelstands- finanzierungsgesetz wurde die Mindestbeteiligung bei Private-Equity-Dachfonds und Venture-Capital-Fonds auf 10.000 Euro gesenkt. Das gilt aber nur, wenn die Privat- kunden mindestens 100.000 Euro unbelastetes Vermögen besitzen und die vorgeschriebene Mindestbeteiligung von 10.000 Euro nicht mehr als zehn Prozent ihres freien Ver- mögens ausmacht. Die Herabsetzung der Mindestbetei- ligung gilt nicht für Fonds in AIF-Form, die beispielsweise in Immobilien oder Energieanlagen investieren. 135 www.fondsprofessionell.at | 2/2018
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