FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2018

249 www.fondsprofessionell.at | 1/2018 standsprovisionen streichen, wenn er uns die Kunden zuträgt“, sagt ein EAS-Vertreter. Ver- sicherer bestätigten gegenüber der Redaktion, dass sie Maklern, die sich von Prozessfinan- zierern für die Anlieferung von Rückabwick- lungsfällen vergüten lassen, die Bestandspro- visionen streichen. Ein EAS-Mitarbeiter merkt dazu an: „Die Versicherungen schreiben ja selbst den Kunden, dass ihr Produkt Verlust bringt. Aufgabe des Maklers ist es dann, dass er für den Kunden einen Ausweg findet“. Weiterer Vergleich? Die Erste Allgemeine Schadenshilfe AG ist jedenfalls optimistisch, das Thema noch vor Jahresende abschließen zu können. Alle Ver- sicherungen seien vergleichsbereit, heißt es. Beziehungsweise seien schon erste Vergleiche geschlossen wurden. Offizielle Informationen darüber, welche Versicherer das betrifft, gibt es nicht, nach FONDS professionell Recherchen scheint es sich um Helvetia und Zurich zu handeln, Gerüchten zufolge ist auch die Generali gesprächsbereit (Stand: Mitte März). Im Fall der Generali Versicherung handelt es sich dem Vernehmen nach um ein beträchtliches Volumen, weil hier eine Viel- zahl von Verträgen betroffen sein sollen, die als Tilgungsträger für Fremdwährungskredite eingesetzt wurden. Diese sind im Durchschnitt höher dotiert als Polizzen, die zu Vorsorge- zwecken abgeschlossen wurden. Keines der betreffenden Unternehmen nahm dazu Stel- lung. Die Hoffnung der Versicherungen, nach der Einigung mit dem VKI keine weiteren Forde- rungen mehr bedienen zu müssen, hat sich al- lem Anschein nach zerschlagen. Ob die An- kündigung, weitere Rücktrittsversuche auf dem Rechtsweg bekämpfen zu wollen, umge- setzt wird, ist derzeit offen. Ganz chancenlos dürften die Versicherer nicht sein. Zahlreiche Beobachter bezeichneten das ewige Rücktrittsrecht, so wie es derzeit ange- wandt wird, als rechtliches Unding – selbst Konsumentenanwälte sehen dies so. Zuletzt warnte auch Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny davor, den Konsumentenschutz auf die Spitze zu treiben. Universitätsprofessor Attila Fenyves vom Institut für Zivilrecht rät Versicherern sogar, noch einmal zum OGH zu gehen. Schlechter könne ihre Situation ohnedies nicht mehr werden (siehe Kasten unten). Das unbefristete Rücktrittsrecht gehe über die berechtigten Anliegen des Verbrau- cherschutzes hinaus, meint auch Fenyves. Politischer Vorstoß Alle Augen sind nun einmal mehr auf die Politik gerichtet. ÖVP und SPÖ wollten 2017 einen Änderungsantrag zum Versicherungs- vertragsgesetz durchboxen. Das scheiterte am Widerstand von Konsumentenschützern. Kurz vor Redaktionsschluss landete das Thema nun wieder auf der politischen Agenda. Offenbar will die neue ÖVP-FPÖ-Koalition exakt die alten ÖVP-SPÖ-Vorschläge umsetzen. Ein der Redaktion vorliegender Änderungsantrag zeigt einen annähernd identen Wortlaut. Das in dieser Sache federführende Justizministe- rium hüllte sich in Schweigen. Die Angst vor einem neuerlichen Scheitern scheint groß zu sein. Der Entwurf sieht vor, dass spätestens einen Monat nach Vertragsauszahlung, -kündigung oder -rückkauf kein Rücktritt mehr möglich ist. Die Frist dafür soll demnach bereits mit 30. April 2018 zu laufen beginnen. Bei lau- fenden Altverträgen soll das unbefristete Rücktrittsrecht in Fällen mit falscher Beleh- rung hingegen weiter bestehen bleiben. Aller- dings müssten Versicherte ab 30. April etwai- ge Veranlagungsverluste im Fall eines Rück- tritt selbst tragen – bisher mussten die Versi- cherungen in solchen Fällen die einbezahlten Prämien plus vier Prozent Zinsen zahlen. Zu- dem sieht der Vorschlag vor, dass die Versi- cherer die Abschlusskosten bei Lebensversi- cherungsverträgen in Zukunft über die ersten zehn Jahre verteilen müssen, um die Bela- stung in Rücktrittsfällen zu reduzieren. EDITH HUMENBERGER-LACKNER | FP Alles, was Recht ist – Versicherer haben vielleicht doch Chancen vor dem OGH Wird ein Konsument beim Abschluss einer Lebensversich- tung mangelhaft oder gar nicht über sein Rücktrittsrecht aufgeklärt, erwächst ihm daraus ein ewiges Rücktrittsrecht. Mit diesem Urteil schockte der OGH im Jahr 2015 Öster- reichs Versicherungen. Nicht alle Rechtsexperten gehen davon aus, dass diese Entscheidung endgültig war. Um die Situation zu verstehen, muss man frühere deutsche und europäische Urteile kennen. Die zweite und dritte „EU- Richtlinie Leben“ ordnen zwar eine Belehrungspflicht an, fordern aber keine Sanktionen für Fälle, in denen keine Be- lehrung stattfindet. Im deutschen Versicherungsvertrags- recht galt die Regelung, dass das Rücktrittsrecht auch bei fehlender Belehrung nach einem Jahr auf jeden Fall er- lischt. Ein deutscher Versicherungsnehmer focht dies beim EuGH an, und der kam zu dem Schluss, dass die deutsche Regelung gegen EU-Recht verstößt. Dieses Urteil wurde nach Ansicht des österreichischen Zivilrechtsexperten Attila Fenyves vom deutschen Bundesgerichtshof (BGH) im Anschluss in zweifacher Hinsicht überinterpretiert . Fenyves’ Kritik: Der EuGH wurde erstens nur nach der Rechtsfolge einer fehlenden Belehrung gefragt, wobei er sich zum Thema fehlerhafte Belehrung gar nicht äußerte. Und zweitens hält der EuGH nur die Regelung, wonach nach einem Jahr auch bei fehlender Belehrung das Rück- trittsrecht erlischt, für rechtswidrig. Von einem unbefriste- ten Rücktrittsrecht sei nirgendwo die Rede. Fenyves: „Der BGH setzt dagegen fehlerhaft und fehlend gleich und leitet aus dem EuGH-Urteil ein ewiges Rücktrittsrecht ab.“ In Österreich, so der Rechtswissenschaftler, habe sich der OGH dem BGH-Urteil „in einer relativ kurzen Entschei- dung“ einfach angeschlossen. Während der deutsche BGH seinen Standpunkt in einer Reihe von Folgeentschei- dungen weiter ausdifferenziert hat und man daher davon ausgehen muss, dass sich an dessen Haltung nichts mehr ändert, ist das OGH-Urteil so formuliert, „dass man hoffen kann, dass er in einer Folgeentscheidung auf die zahlrei- chen kritischen Stimmen in der Lehre reagiert und seine Auffassung überdenkt“, sagt Fenyves, der diesen Stand- punkt auch in einem Gutachten für den Versicherungsver- band dargelegt hat. Fenyves rät den Versicherern, den OGH noch einmal anzurufen, er sieht Chancen für eine Entscheidung zugunsten der Assekuranz. Außerdem, fügt der Jurist hinzu, könne sich ihre Situation ohnedies nicht mehr verschlechtern. Dass Polizzenaufkäufer und Prozess- finanzierer damit lukrative Geschäfte machen, habe mit Verbraucherschutz nichts mehr zu tun. Die Ursache für die hohe Anzahl von Fehlbelehrungen sehen Fachleute in der lange Zeit unklaren rechtlichen Situation. Eine Belehrungspflicht gibt es seit 1997, aller- dings mit unklaren Konsequenzen, was bei Mängeln passiert: § 5b VersVG (Fehlverhalten des Versicherers) besagt, dass die Rücktrittsfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Versicherer die Meldungspflichten erfüllt hat. In § 165a VersVG (voraussetzungsloses Rücktrittsrecht) fehlt hingegen eine solche Regelung. Ein „unbefristetes Rück- trittsrecht“ bei Unterlassung der Belehrung wurde erst durch das „VersRÄG 2012“ eingeführt. Attila Fenyves: „Das unbefristete Rücktrittsrecht geht über die berechtigten Anliegen des Verbraucherschutzes hinaus.“

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