FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2018

239 www.fondsprofessionell.at | 1/2018 geschäft haben wir Lieferung gegen Zahlung. Heute habe ich Valuta T+1 oder T+2, bis das Geschäft abgewickelt ist. Wenn ich zahle, weiß ich bis dahin nicht, ob mir das Wertpa- pier auch geliefert wird. Deswegen müssen wir mit Settlement-Limits oder Counterparty- Ausfallslimits arbeiten. Und diese Limits muss ich mit Eigenkapital unterlegen“, so Brad. Trotz der möglichen Potenziale sieht sich die Erste Group punkto Kapitalmarkt noch am Beginn der Blockchain-Überlegun- gen. Wesentlich weiter ist man im Zahlungs- verkehr. Hier soll 2018 bereits definitiv die Entscheidung fallen, mit welchem System man in die Blockchain-Technologie einsteigt. „Real Zahlungen abgewickelt“ Der Konzern hat die Blockchain im Zah- lungsverkehr bereits „außerhalb des Labors“ getestet, wie Petia Niederländer, Head of Retail & Corporate Operations Erste Group, verrät. „Eine Fremdwährungstransaktion zwi- schen Erste Group und Erste Bank Österreich wurde real abgewickelt.“ Ziel war, dass es – ähnlich wie beim bestehenden Instant-Pay- ment-Schema – maximal 20 Sekunden dauert. „Wir haben diese Zeit gut unterschritten“, freut sich die Bankerin. Kooperationspartner bei diesem Pilotprojekt war der Blockchain-Zah- lungsprotokollanbieter Ripple Labs. Der Vorstoß Ripples lockte in weiterer Folge die global führende Banktransaktionsabwick- lungsplattform Swift aus der Reserve. Die So- ciety for Worldwide Interbank Financial Tele- communication startete 2017 eine Blockchain- Initiative. Nun will die Erste Group, die an die- ser Initiative teilnimmt, warten, was Swift ent- wickelt, denn hinter dieser Organisation stehen 10.000 Banken. „Eine der wesentlichen Her- ausforderungen bei Blockchain besteht darin, Reichweite zu schaffen“, so Niederländer. Und die Reichweite ist eine mögliche Schwäche von Ripple, obwohl namhafte Institute wie American Express, Santander, RBC oder Uni- credit zu den Mitgliedern zählen. „Heuer wol- len wir fix entscheiden, ob wir mit Ripple star- ten, auf Swift warten oder eine andere Tech- nologie wählen“, so Niederländer. Die Ent- scheidung dürfte nicht leicht fallen: Auf Swift zu warten könnte noch Jahre dauern. Geht man mit einer anderen Lösung an den Markt, punktet man zwar als First Mover, läuft aber Gefahr, später umsteigen zu müssen, sollte sich ein anderer „Distributed Ledger“ durch- setzen. Andere Anwendungen Die Blockchain-Technologie bringt aber nicht nur Bewegung in den Zahlungsverkehr oder in das Wertpapiergeschäft, sondern könn- te auch im internationalen Handel ein neues Kapitel aufschlagen. Die Erste Group schloss sich im Oktober dem von UBS und IBM ge- leiteten Konsortium Batavia an. Fünf Banken und IBM arbeiten darin an einer Blockchain- Plattform für die Finanzierung internationaler Handelsaktivitäten. Das Ziel: Der oft wochen- lang dauernde Dokumentationsprozess zwi- schen Käufer, Verkäufer, Banken, Transport- unternehmen und Regulatoren soll beschleu- nigt werden. Im November trat dann die Raiffeisenbank International (RBI) dem glo- balen Netzwerk der Softwarefirma R3 bei. Die RBI untersucht nun ebenfalls, wie man die neue Technologie in Bereichen wie Zah- lungsdienste, Kapitalmarkt oder Handelsfinan- zierung einsetzen kann. R3 startete 2015 und hat mittlerweile 160 Finanzdienstleister, Tech- nologieunternehmen und Regulatoren als Mit- glieder. Credit Suisse und ING haben als R3- Teilnehmer im März erstmals eine reale Transaktion getestet und dabei Staatsanleihen im Umfang von 25 Millionen Euro gehandelt. Bei all der Begeisterung bleiben Insider wie Niederländer beim Thema Blockchain aller- dings lieber auf dem Boden. Sie bezweifelt etwa, dass Milliardeneinsparungen kurzfristig realisierbar sind. Es werde Jahre dauern, bis sich das rentiere: „Blockchain ist ein zusätz- licher Aufwand, solange wir alte und neue Sy- steme nebeneinander haben.“ Am Ende könnte es sich auch an rechtli- chen Fragen spießen, meint Kollege Brad. „Hinter einem Abschluss stehen riesige Ver- tragswerke. Es gibt keine Erfahrungen, wie es juristisch aussieht, wenn man diese auf die Distributed-Ledger-Ebene hebt und durch Smart Contracts ersetzt. Transaktionen, die wir bis jetzt gesehen haben, wurden weiter von der analogen Dokumentation begleitet, um juristisch auf der sicheren Seite zu sein. Die Frage ist da auch, wie ein Regulator mit- zieht“, so Brad. Signale dafür gibt es: Die EU- Kommission kündigte im Februar eine Block- chain-Beobachtungsstelle an, um die Entwick- lung der Technologie in Europa zu fördern. Das World Economic Forum hat übrigens jüngst geschätzt, dass bis zum Jahr 2025 ins- gesamt zehn Prozent des weltweiten BIPs mit- hilfe der Blockchain-Technologie abgewickelt werden. EDITH HUMENBERGER-LACKNER | FP Petia Niederländer: „Wir wollen heuer fix entscheiden, ob wir mit Ripple starten oder auf Swift warten.“ Blockchain und Distributed Ledger – was ist was? Die Idee hinter der Blockchain-Technologie, von der man- che annehmen, dass sie die Welt verändern wird, ist ver- gleichsweise einfach: Man wickelt Transaktionen nicht mehr zentralisiert über einen vertrauenswürdigen Anbieter wie Banken oder Börsen ab, deren IT-Systeme sicher- stellen, dass alles seine Richtigkeit hat, sondern schließt Geschäfte direkt mit der jeweiligen Gegenpartei ab. Egal, ob es um ein größeres Handelsgeschäft geht, Geld über- wiesen oder eine Eintragung ins Grundbuch vorgenom- men wird: Man braucht dafür nicht unbedingt Anwälte, Zahlungsdienstleister, Treuhänder oder Magistratsmitar- beiter. Die für solche Transaktionen benötigte Sicherheit entsteht – zumindest theoretisch – dadurch, dass alle Vor- gänge in der Blockchain dezentral überwacht werden. Auf jedem Computer, der Teil des Netzwerks ist, ist die ge- samte Transaktionshistorie (Blockchain) abgespeichert, und jede Veränderung, die stattfindet, wird auf allen Com- putern verzeichnet. Zahlungen laufen also nicht mehr über einen zentralen Buchhalter, der sein Kassenbuch gestreng verwaltet. Vielmehr wird jeder Blockchain-Teilnehmer selbst zum Buchhalter und hat das gesamte Kassenbuch bei sich. Man spricht daher auch von „Distributed Ledgers“ (verteilte Kontenbücher) oder DLT (Distributed Ledger Technology). In dieser dezentralen Datenbank werden die Daten kryptografisch verschlüsselt und so aneinanderge- kettet, dass eine Transaktion nicht manipuliert werden kann, ohne dass sich die gesamte Kette verändert. Ein Manipulationsversuch würde den anderen teilnehmenden Computern auffallen. Die bekannteste und älteste Block- chain ist die des Bitcoin-Netzwerks. Bitcoin und die Block- chain-Technologie sollten aber nicht in einen Topf gewor- fen werden. Die Währung lockt hauptsächlich Spekulanten an, die Technologie hat wirtschaftliche Relevanz.

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