FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2017

136 www.fondsprofessionell.at | 4/2017 sachwerte I crowdinvesting Foto: © Fotolia | Richard Carey W ährend viele Unternehmen lange zit- tern, bevor klar ist, dass ihre Crowdfunding-Kampagne ein Er- folg wird, konnte sich die GW Energie Hol- ding in diesem Sommer über einen Raketen- start freuen. Innerhalb weniger Stunden ak- quirierte das oberösterreichische Unternehmen über die Plattform Firstcap.eu mehr als 300.000 Euro Crowdkapital. Das Fundingziel von 500.000 Euro zu erreichen war somit überhaupt kein Problem. Für die Emis- sion des Nachrangdarlehens, das Anleger ab einem Investitionsbetrag von 100 Euro zeichnen können, erstellte das Unternehmen sogar einen Kapitalmarkt- prospekt. Das ist im Crowdfunding-Sek- tor nicht üblich, erlaubt dem Unterneh- men aber, auf diese Weise bis zu 4,99 Millionen Euro aufzunehmen. Und nicht nur manche Emittenten hat- ten einen guten Sommer, ein Urteil des Obersten Gerichtshofs fiel für die gesamte Crowdfunding- und -invest- mentszene günstig aus. Die Höchst- richter mussten sich mit der Frage beschäftigen, ob die „Nachrangigkeit den Anleger“ bei den in diesem Bereich üblichen Nachrangdarlehen die Investoren nicht „gröblich benachteilige“. Im August entschied der OGH, dass ein qualifiziertes Nachrangdarlehen einen Vertragstypus darstellt, bei den die Nachrangigkeit ein „konstitutives Merkmal“ ist. Insgesamt kann sich die Sparte hierzulande also entspannen, eine anders lautende Entscheidung wäre für die Gründerszene eher unerfreulich gewesen. Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass die erste Begeisterung über die neuen Finanzie- rungskonzepte bereits abkühlt. Angefacht von Verbraucherschützern, werden bereits heftige Diskussionen über die Transparenz und Risi- kohinweise der Crowdinvestments geführt. Obwohl die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinformationen auch bei uns ver- gleichsweise dürftig sind, wurde das Konzept insgesamt bisher noch nicht in Frage gestellt. Wachstumsstrategien Mit dem OGH-Urteil im Rücken konzen- trieren sich die Plattformen vielmehr auf die weitere Geschäftsentwicklung. Dabei stehen die Zeichen auf Expansion und Kooperation mit externen Vertriebspartnern. Beim Blick über die Grenzen gilt Deutschland als belieb- tes Zielgebiet. Rocket und Conda sind schon dort, Firstcap, Reval und Dagobertinvest sind auf dem Weg. Die Immobilien-Crowdinves- ting-Plattform Reval arbeitet schon an ge- meinsamen Projekten mit einem großen deut- schen Anbieter. „Außerdem werden wir unse- ren Vertrieb ausbauen. Nächstes Jahr wollen wir mit einem Haftungsdach zusammenarbei- ten“, berichtet Reval-Geschäftsführer Philipp Hain. Auch Dagobertinvest expandiert nach Deutschland und hat einen Teil der Kosten über eine Crowdfunding-Kampagne finan- ziert. 158 Investoren stellten für mindestens ein Jahr 251.700 Euro zur Verfügung. „Der deutsche Markt ist zehnmal größer als der österreichische und weiter entwickelt, weil deutsche Anleger nicht so sparbuch- orientiert sind wie die Österreicher“, meint Dagobertinvest-Geschäftsführer Andreas Zederbauer. Bei Redaktions- schluss lief bereits das deutsche Ge- nehmigungsverfahren. Neue Wege im Inland beschreitet die Waldviertler Plattform Regionalfunding. Geschäfts- führer Wolfgang Pröglhöf will künftig Anleihen mit einem Volumen von bis zu einer Million Euro für KMU auf- legen. Der Aufwand dafür sei über- schaubar, weil der Prospektpflicht- schwellenwert auf eine Million Euro erhöht wird, damit lasse sich bei KMU und Familienunternehmen einiges be- wegen. ALEXANDER ENDLWEBER | FP Die Crowdinvesting-Plattformen müssen wachsen, wenn sie langfristig profitabel werden wollen. Deshalb sind größere Emissionen und das Ausland sehr gefragt. Deutschland , wir kommen! Starkes Wachstum Die Entwicklung des Crowdinvesting-Marktes Die österreichischen Crowdinvesting-Plattformen haben seit 2013 53,7 Millionen Euro für 199 Projekte eingesammelt. Quelle: WKO 0 5 10 15 20 25 1. HJ 2017 2016 2015 2014 2013 F 22,7 Mio. Euro 0,6 Mio. Euro 2 Fundraisingvolumen Mio. Euro M Während in Deutschland, angefacht durch Verbraucherschützer, Diskussionen über die Transparenz und Risikohinweise von Crowdinvestments boomen, herrscht hierzulande Ruhe. Viele Plattformen wagen daher den Blick über die Grenze.

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