FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017

91 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 ETF-Marktes angeht. Worin liegen Ihre Befürchtungen? Bezalel: Im Grunde weiß jeder im Bereich der Anleihenmärkte, dass die Kreditmärkte alles andere als liquide sind. Deshalb muss man, glau- be ich, mit erheblichen Verwerfungen rechnen, wenn es mit den Kursen an den Rentenmärkten einmal deutlicher nach unten gehen sollte. Dann werden die Marktteilnehmer feststellen, dass es kaum möglich ist, einigermaßen unbeschadet aus diesen Märkten auszusteigen. Und man darf nicht vergessen, dass wir es mit enormen Anla- gebeträgen zu tun haben, die in entsprechenden ETFs angelegt sind, seien es High-Yield-Invest- ments oder auch Investment-Grade-Anlagen. Daher ist das aus meiner Sicht eine Art zu er- wartender Unfall, der auf jeden Fall passieren wird. Das wird wahrscheinlich auch für andere Marktsegmente gelten, für die Kreditmärkte ist es auf jeden Fall eine Sorge, die man haben muss. Moore: Ich glaube, dass von den ETFs auch für die Aktienmärkte eine Gefahr ausgeht. Grund- sätzlich funktionieren ETFs gut, wenn man sich in einem Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage befindet. Aber sobald es zu einem Ungleichgewicht kommt beziehungsweise zu größeren Verkäufen, denen keine Käufe gegen- überstehen, fangen die Probleme an. Wir haben das Mitte August 2015 erlebt, als es bei größeren Verkäufen am Markt zu erheblich größeren Ab- schlägen speziell in den ETFs gekommen ist, verglichen mit den Underlyings oder dem Ge- samtmarkt. Der Aktienmarkt verlor damals rund sechs Prozent, während einige ETFs zeitweise Abschläge von 30 oder 40 Prozent hinnehmen mussten. Bezalel: Aber auch ganz abgesehen davon: Bei einem ETF handelt es sich um eine vollkommen fehlgeleitete Allokation von Kapital. Wenn man etwas komplett unabhängig von dessen Bewer- tung kauft, dann ist das aus meiner Sicht voll- kommen verrückt. Deshalb ärgere ich mich über die Berichterstattung wie etwa in der „Financial Times“, die keine Gelegenheit auslässt, aktives Management anzuprangern. Das Bashing von aktivem Management ist geradezu zu einem Trend geworden. Und die Leute verstehen nicht, dass wir uns auf demWeg in ein regelrecht dys- funktionales Kapitalsystem befinden, wenn die Zuflüsse in ETFs in diesem Maße weiter anhal- ten. Sauren: Kommen wir zu einer Schlussrunde. Wie sieht Ihr weiterer Ausblick aus? Gebhardt: Klar ist für mich eines: Die Vo- latilität kommt zurück. Bei einem ruhigen Umfeld wie während der vergangenen Mo- nate wird es nicht lange bleiben, dazu gibt es zu viele Themen auf der Makroseite und in der Politik. Andererseits wird das neue Chancen eröffnen, und die Bewertungen werden dann wieder günstiger aussehen. Böttcher: Frontier-Märkte sind nicht getrie- ben vom globalen Zinszyklus. Deshalb wer- den wir weiter nach Banken Ausschau hal- ten, aber in den Frontier-Märkten. Moore: Digitalisierung des Handels, die Wirtschaft verändert sich dramatisch in Be- zug auf die Wahrnehmung von Qualität und Stabilität in einzelnen Unternehmen. Eine wirklich große Veränderung, die ich erwarte: Marken werden in ihrer Rolle als Hort von Stabilität und Qualität an Bedeutung verlie- ren. Im Gegenzug werden die oft als zy- klisch betrachteten Technologiewerte an Zu- lauf gewinnen, eben weil man dort heute nicht nur Qualität, sondern auch Stabilität findet. Das eröffnet große Chancen, wenn man davon zu profitieren versteht. Weis: Für Europa ist positiv, dass die Wirtschaft wieder wächst, wenn auch vielleicht noch nicht sehr stark. Aber vieles von der Unsicherheit, die noch vor zwölf Monaten im Zusammenhang mit den Wahlen in den Niederlanden und Frankreich vorhanden war, ist verschwunden. Daher lassen sich heute wieder gute Anlagemöglichkeiten in den europäischen Aktienmärkten finden. Wir werden aber weiterhin sehr selektiv vorgehen. Boyd: Was man feststellen muss: Die Welt ver- ändert sich oft schneller als erwartet. Daher soll- te man als Fondsmanager sicher eine gesunde Dosis Paranoia in sich tragen. Nur darf man eines nicht tun: Man darf sich nicht von seinem Weg abbringen lassen. Flossbach: Wir befinden uns in einem sehr selt- samen Umfeld sehr niedriger Zinsen und großer Fehlallokationen in den Anleihenmärkten. Auch wenn sich in dieser Assetklasse sicher die Mutter aller Blasen aufgebaut hat, vor allem in Europa, gehen wir nicht davon aus, dass diese Blase in nächster Zeit platzen wird. Die Aktienmärkte sehen generell sehr viel attraktiver, wenn auch herausfordernder aus als Bonds. Denn wenn man drei Prozent Dividende auf die Aktie eines Unternehmens bekommt, das nicht wirklich wächst, dann ist das immer noch sehr viel besser als null auf eine 30-Jahres-Anleihe. Es bleibt ins- gesamt wackelig, auch im Hinblick auf die dis- kutierte Situation bei ETFs. Ich weiß natürlich auch nicht, wo das Endspiel enden wird. Ich hof- fe jedenfalls, dass wir unsere Versicherung in Form unserer Allokation in Gold nicht benötigen werden. Denn sollte es zu einem stärkeren An- stieg des Goldpreises kommen, dann wäre das kein gutes Zeichen. Heuser: Ich bedanke mich für eine inter- essante Diskussion. HANS HEUSER | FP Ariel Bezalel: „Bei einem ETF handelt es sich um eine vollkommen ineffiziente Allokation von Kapital.“ » Die Leute verstehen nicht, dass wir uns auf dem Weg in ein regelrecht dysfunktionales Kapitalsystem befinden, wenn die Zuflüsse in ETFs in diesem Maße weiter anhalten. « Ariel Bezalel, Jupiter Asset Management

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