FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017

4 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 brief der herausgeber W enn man die Marktstimmung der zurückliegenden Jahre mit der Entwicklung der Aktienindizes vergleicht, muss man zu dem Schluss gelangen, dass das „Sentiment“ ein ziem- lich zuverlässiger Kontraindikator ist. Obwohl Leitindizes wie Dax und Dow Jones seit Jahren immer wieder neue Höchststände erklim- men, hatte man zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass die Haltung der heimischen Anleger in Richtung Euphorie tendiert hätte. Tat- sächlich hielten sehr viele trotz Nullzinsen an ihren festverzinslichen Anlagen fest. Und in diesem Licht betrachtet, darf man hoffen, dass die Aktienkurse noch geraume Zeit weiter zulegen werden. Erst wenn die Masse Dividendenwerte für eine gute Idee zu halten beginnt, wird es gefährlich. Trotzdem steht heute schon fest, dass auch diese Hausse endet. Und natürlich würden wir alle gern vorab wissen, was der Aus- löser dafür sein wird. Eine sichere Antwort darauf kann niemand geben, aber ein Autor des US-Finanzblogs ffwiley.com hat sich auf die Suche nach dem plausibelsten Grund dafür gemacht – und das Ergebnis ist interessant. Der Blog hat die 13 Baissen der letzten 90 Jahre in den USA un- tersucht. Als Baisse wurden Rückschläge von mehr als 20 Prozent bei Robert Shillers monatlichem S&P-500-Kurs unterstellt. Es steht zwar nicht fest, dass eine Talfahrt amerikanischer Aktien auch im Rest der Welt für sinkende Kurse sorgen wird, die Chancen dafür ste- hen aber gut. Im ersten Schritt sortierte man jene Bärenmärkte aus, die von Rezessionen ausgelöst wurden, weil es derzeit keinerlei Anzeichen für eine bevorstehende Konjunkturtalfahrt gibt. Damit fie- len die Baissen von 1929, 1930 and 1932 weg. Die übrigen zehn Trendwenden erfolgten durchwegs während wirtschaftlicher Auf- schwungphasen. Gestrichen wurde auch die vom Zweiten Weltkrieg verursachte Baisse, weil sich eine vergleichbare Entwicklung derzeit ebenfalls weitgehend ausschließen lässt. Auch jene sieben Aktien- marktabstürze, die von starken Anstiegen der Inflationsraten ausgelöst wurden, sortierte man aus, weil auch hier die aktuelle Datenlage kaum eine Wiederholung erwarten lässt. Übrig blieben nun nur noch zwei Verlustperioden für Aktionäre. Zwar war eine davon – die Baisse ab August 2000 – ebenfalls von einem Inflationsanstieg be- gleitet, ffwiley.com hält aber andere damals wirksame Faktoren für wesentlicher. Erstens hob die US-Notenbank die Zinsen an, und zwei- tens wurden Kredite für Private und Unternehmen teurer. Erkennbar ist dies an einer Ausweitung der Credit Spreads (Renditeabstand zwi- schen Unternehmens- und Staatsanleihen) und einer Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien bei Banken. Zwölf der 13 historischen Bärenmärkte wurden also durch Rezes- sion, Inflation, Krieg oder Liquiditätsverknappung ausgelöst. In kei- nem der Fälle ähnelte die Situation der heutigen. Somit bleibt nur der Abwärtstrend, der 1962 begann, übrig. Und hier sieht die Analyse – leider – unerfreulich große Ähnlichkeiten zur aktuellen Lage. Vor dem auch als „Kennedy Slide“ bezeichneten Turnaround hatte man 16 Jah- re lang keine Korrektur erlebt, die mehr als 20 Prozent Kursverlust brachte. Der seit 1946 intakte Aufwärtstrend gewann an Fahrt, nach- dem John F. Kennedy zum 36. Präsidenten der USA gewählt worden war – so wie nach dem Wahlsieg von Trump. Als der Turnaround dann rund 18 Monate nach Kennedys Amtsantritt einsetzte, lag die Inflationsrate bei 1,3 Prozent, die Geldpolitik war keineswegs straff, auch die Credit Spreads gingen nicht auf, und das Wirtschaftswachs- tum war hoch. Die Korrektur von 1962 kam somit mehr oder weniger aus heiterem Himmel und nüchtern betrachtet unbegründet. Diese Baisse war daher auch die kürzeste des 20. Jahrhunderts. Bereits im September 1963 kletterten Aktien auf ein neues All-Time-High. Was kann man aus dieser Analyse ableiten? Erstens dass ein Rück- schlag an den Aktienbörsen trotz der aktuell günstigen Fundamental- daten jederzeit stattfinden kann. Diese Erkenntnis hat allerdings kei- nerlei praktischen Wert. Zweitens, und das ist eine brauchbare Infor- mation: Wenn eine schärfere Korrektur einsetzt, ohne dass dies durch die Notenbankpolitik, eine Liquiditätsverknappung, eine Rezession oder einen Inflationssprung zu begründen wäre, sollte sie kurz sein und könnte als Kaufchance wahrgenommen werden. Die US-Blogger haben auch – allerdings mit Augenzwinkern – den zeitlichen Ablauf der Entwicklung im Vorfeld der Korrektur von 1962 mit der aktuellen Situation verglichen. Wiederholt sich die Geschichte 1:1 (was sie sicher nicht tun wird), dann müsste man ab Mitte 2018 mit einem gröberen Rückschlag rechnen. Wir hoffen, dass wir Sie schon deutlich früher, nämlich Anfang März, wieder am FONDS professionell KONGRESS begrüßen dürfen. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Dass die Aktienmärkte auch einmal wieder nach unten tendieren werden, steht fest. Ungewiss ist nur, wann und warum das passieren wird. Dazu gibt es eine interessante These. Warten auf die Trump-Baisse Foto: © Marlene Fröhlich Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi

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