FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017

212 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 bank & fonds I retailbanking Foto: © Fotolia | Antonioguillem, PR | McKinsey V or zehn Jahren brach ein von faulen US-Hypothekenkrediten entfachter Sturm los. Die Turbulenzen erfassten die Finanzwelt und rissen schließlich fast die Weltwirtschaft in den Abgrund. In den Jahren danach trugen Geldhäuser die Trümmer des von ihnen geschürten Sturms Schritt für Schritt ab. Auch heute noch ringt die Branche mit den Folgen dieses Tsunamis. Zugleich verändern sich die Wünsche der Kunden. Dies stellt die Institute vor immer neue Aufgaben, die sie bewältigen müssen. Die Branche ist im Umbruch begriffen. Die Aufräumarbeiten nach dem Leh- man-Crash führten dazu, dass Geldhäuser ihr Kreditgeschäft mit dem Ausland dras- tisch zurückfuhren. Viele Institute besinnen sich auf ihren Heimatmarkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des McKinsey Global Institute. Demnach sind weltweit die grenzüberschreitenden Kapitalflüsse seit dem Höchststand 2007 von 12,4 Bil- lionen Dollar um 65 Prozent eingebrochen. Die Denkfabrik der gleichnamigen Unter- nehmensberatung untersuchte die Kapital- ströme von 100 Ländern. „Die Banken ziehen sich aus Ländern und Märkten zurück, auf denen ihnen die Größe oder das Alleinstellungsmerkmal fehlen“, sagt Eckart Windhagen, Seniorpartner bei McKin- sey und Koautor der Studie. Mehr als die Hälfte der Korrektur entfalle auf Interbank- kredite und Schuldverschreibungen vor allem in der Eurozone. Diese waren vor der Krise exzessiv gewachsen. „Es wurde sozusagen der Reset-Knopf gedrückt“, erläutert Wind- hagen. „Dieser Prozess ist noch nicht abge- schlossen.“ Bei vielen Großbanken ist dage- gen das einst belächelte Privatkundengeschäft zu einer wichtigen Ertragssäule herangewach- sen. Auch wenn die Finanzinstitute ihr Aus- landsgeschäft stark zurückfahren, bleiben die globalen Finanzmärkte aber eng miteinander verwoben, schränken die Experten ein. Ein weiterer Auswuchs der Finanzkrise, der anhaltend das Geschäft der Banken belastet, ist die Nullzinspolitik der Notenbanken. „Den europäischen Banken ist es noch nicht gelun- gen, sich dem Niedrigzinsumfeld anzupassen. Diese Belastung und die Dämpfung des real- wirtschaftlichen Aufschwungs machen sich daher bemerkbar“, sagt Daniela Chikova, Partner Financial Services bei A.T. Kearney in Österreich. Die Unternehmensberater un- tersuchen seit 2007 jedes Jahr die Leistungs- fähigkeit von 100 Privatkundeninstituten in 22 europäischen Ländern. Ernüchternde Bilanz Das Ergebnis fällt ernüchternd aus. Euro- paweit verbucht die Branche erstmals seit 2011 einen Ertragsrückgang. „Das im Ver- gleich zum Vorjahr abgeschwächte Wachstum des Einlagen- und Kreditgeschäfts konnte den Margenverfall nicht mehr kompensieren“, erläutert Chikova. „Zudem haben Länder wie Italien und Portugal wieder massiv mit faulen Krediten zu kämpfen. Dies führt zu einer deutlich schlechteren Profitabilität, die den Fortschritt des Vorjahres komplett aufgezehrt hat.“ Trotz des insgesamt positiven wirt- schaftlichen Umfelds bleibt das europäi- sche Privatkundensegment weiterhin stark unter Druck. Aufgrund der niedrigen Zins- marge sank der durchschnittliche jährliche Ertrag pro Kunde um drei Prozent auf nur noch 633 Euro. „Österreich schneidet besser ab, aller- dings haben die Institute die Chancen zu strukturellen Bereinigungen noch nicht aus- reichend genutzt“, mahnt die A.T.-Kear- ney-Beraterin. Das bessere Abschneiden verdankten die österreichischen Privatkun- denbanken auch den besseren wirtschaftli- chen Rahmenbedingungen. „Die Achilles- ferse sind weiterhin die Kosten“, schränkt Bankkunden erledigen ihre Geschäfte immer häufiger online, auch in Österreich. Die Institute müssen sich darauf einstellen – und ihre Ertragsmodelle anpassen. Digitaler Fluch und Segen Geldgeschäfte per Smartphone: Österreichs Bankkunden gelten zwar nicht als die Speerspitze der Digitalisierung, doch einer Umfrage zufolge nutzen immerhin 51 Prozent ausschließlich Onlineangebote. Abschied von der Filiale Wie Privatkunden weltweit Finanzgeschäfte abwickeln Das Geldhaus vor Ort verliert als Anlaufstelle für Bankgeschäfte rapide an Bedeutung. Quelle: BCG Retailbanking-Umfrage 2017 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 2017 2015 Online 43 % Beides 43 % Filiale | 14 % Online 28 % Beides 37 % Filiale 35 %

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