FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2017

bank & fonds I gerald fleischmann | volksbank wien 208 www.fondsprofessionell.at | 3/2017 Foto: © Günter Menzl G erald Fleischmann ist nicht zu be- neiden. Seit mehr als zwei Jahren fusioniert der Generaldirektor der Volksbank Wien ein Institut nach dem anderen. Und obwohl er das Ziel, die Zahl von 58 auf acht Volksbanken zu verrin- gern, fast erreicht hat, ist ein Ende der Herkulesaufgabe nicht in Sicht. Im nächs- ten Schritt sollen die Filialstruktur unter die Lupe genommen und suboptimal strukturierte Prozesse im Verbund berei- nigt werden. Beides wird einige Zeit be- nötigen. Indes zeigen die Fusionen ihre Wirkung: Das erste Halbjahr 2017 verlief mit einem Nettogewinn von 32,8 Millio- nen Euro erfreulich. Trotzdem sind wei- tere Einsparungsschritte unumgänglich, wenn die Kosten-Einnahmen-Quote von rund 78 auf die geplanten 60 Prozent sinken soll. Nachdem die alte Volksbanken AG (ÖVAG) in Schieflage geriet und 2015 vom Markt ver- schwand, ist die Volksbank Wien AG nicht nur die größte Retailbank des Volksbanken- sektors, sondern auch das Zentralinstitut. Herr Fleischmann, das Ziel bei Ihrem Amtsantritt hieß: acht eigenständige Volksbanken und eine Spezialbank bis Sommer 2017. Wo stehen Sie? Wir sind vor zwei Jahren, als ich kam, mit 58 Volksbanken gestartet und haben einen Fusionsmarathon hinter uns. Die Zielstruktur hat sich von „acht plus zwei“ auf „acht plus eins“ verändert: Acht Bundesländerbanken – das Burgenland ist bei Wien – und das Spe- zialinstitut der Ärzte und Apotheker. Die Spar- da, das zweite Spezialinstitut, haben wir mit 17. August in die VB-Wien fusioniert. Die Ärzte- und Apotheker-Bank kommt im Okto- ber, hier haben die Entschlüsse in den Gre- mien etwas länger gedauert. Die Volksbank Horn kommt im Lauf des zweiten Halbjahres, da ist der Termin noch nicht festgesetzt. Der Plan wird also bis Jahresende um- gesetzt sein? Ja. Wir operieren auch schon so. Damit wurde nach der ÖVAG-Zerschla- gung 2015 die Zahl eigenständiger Volks- banken deutlicher reduziert als die der Filialen. Nimmt man sich nach den Fusionen nun die Filialstruktur vor? Grundsätzlich ist Effizienz das ganz große Thema. Das beginnt im Betrieb und in den Zentralfunktionen, weil es natürlich einen Unterschied macht, ob man 58 Betriebe hat oder nur mehr neun. In der ersten Welle wur- den durch die Fusionen die Zentralfunktionen auf je ein Kerninstitut in den Landeshaupt- städten zusammengeführt. Ein zweites großes Kostenthema ist die Produktbereinigung, da sind wir voll drauf. Und dann haben Sie na- türlich recht, die Filialstruktur ist ein Thema. Vor zwei Jahren waren es 460 Filialen, jetzt sind es rund 360. Ich erwarte, dass unsere Zielstruktur die niedrigen 300 sind. Da tun wir uns leicht, in dem wir Kleinfilialen mit den größeren fusionieren. In den Kleinstfilialen, die wir im Volksbankenverbund leider zur Genüge hatten, bekam der Kunde gerade einmal Geldservice. An großen, zentraleren Standorten soll es das ganze Spektrum von Wohnbau über Wertpapier und Kassendienste bis zu Leasing und Bausparen geben. Dennoch: Angesichts der dramatischen Lage in den letzten Jahren und ange- sichts der Digitalisierung scheint der Rückgang nicht hoch. Braucht man so viele Filialen? Ich gebe Ihnen recht. Wir sehen eine komplette Änderung beim Kundenver- halten. Die Filialdichte ist in Österreich generell zu hoch. Ich behaupte auch, in relativ kurzer Zeit eröffnet niemand mehr ein Konto in der Bank, das macht man digital. Es gibt aber weiterhin Services, die Kunden in der Filiale nachfragen: der klassische Wohnbaukredit, der Investitions- kredit für das KMU oder Wertpapiere. Wir haben schon viele Filialen heraus- genommen. Die Fusionen selber kosten aber sehr viel Kraft. Die Optimierung der Prozesse, der Filialstrukturen oder der Kundenproduktkataloge beginnt ja erst jetzt in den letzten Monaten. Wir haben 2016 allein 18 Fusionen gehabt mit dem ganzen Brim- borium: EZB-Genehmigung, Bewertungen, rechtliche und gesellschaftsrechtliche Fragen, Generalversammlungen, Aufsichtsratsbe- schlüsse. Man muss die Fusionen einmal hin- ter sich bringen. In einem „Normalbetrieb“ könnte mehr gemacht worden sein, wir haben nur wahnsinnig viele Fusionen gehabt – und das kostet Kraft. Wann soll die Zahl von 300 Filialen er- reicht sein? Bis Ende 2019 sollten wir dahin kommen. Wie hoch ist die Wechselbereitschaft der Kunden, wenn man Filialen schließt? Die Kunden sind relativ treu. Eine Filialschlie- ßung heißt nicht, dass man die Kunden ver- liert. Umgekehrt: Wenn ein Konkurrent in der Region zusperrt, ist man froh, wenn man zehn bis 30 gute Kunden herüberbekommt. Die Leute sind mobil. Für den Supermarkt fahren sie auch in die nächste Ortschaft. Wichtig ist, wo erwische ich den Neukunden? Man muss präsent sein bei den Themen Jugend, Lehrling und Student und erste Wohnung: BeimWohn- baukredit gibt’s ein Shoppingverhalten. Der Kunde ist sehr preissensitiv. Da hat man die Möglichkeit, zu akquirieren. Und später zählt » Wir haben wahnsinnig viele Fusionen gehabt. Das kostet Kraft. Die Optimierung der Prozes- se und der Filialstruktur beginnt erst jetzt. « Gerald Fleischmann, Generaldirektor der Volksbank Wien „Wir müssen mit den Ko Trotz der zurückliegenden Fusionswelle bei den Volksbanken ist der Sektorumbau noch nicht ab- geschlossen. Gerald Fleischmann , Generaldirektor des Zentralinstituts Volksbank Wien , erklärt im Interview seine nächsten Ziele – sogar einen Börsengang schließt er für die Zukunft nicht aus.

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