FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2016

211 www.fondsprofessionell.at | 4/2016 besonderen Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen wurde 3. wenn mit ihm zumindest schlüssig ein „Auskunftsvertrag“ nach § 1300ABGB zustande gekommen ist (siehe Kasten) oder 4. wenn das Verhalten des Erfüllungs- gehilfen keinem Geschäftsherrn zugerechnet werden kann. Verhalten im Ernstfall Sobald Sie als Erfüllungsgehilfe von mög- lichen Ansprüchen gegen Sie erfahren, heißt es Ruhe zu bewahren und keine unüberlegten Entscheidungen zu treffen oder Maßnahmen zu setzen. Wenn Sie – wie im Eingangsbei- spiel geschildert – bereits eine Klage erhalten haben, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt ge- kommen, umgehend mit einem Rechtsanwalt Kontakt aufzunehmen. Bei Schadenersatzkla- gen beginnt ab Zustellung der Klage eine vierwöchige Frist zu laufen, innerhalb der eine Gegenschrift bei Gericht eingebracht werden muss. Es besteht also Eile. Bei der Auswahl des geeigneten Anwalts sollten Sie darauf ach- ten, auf welche Rechtsgebiete dieser speziali- siert ist beziehungsweise welche Gruppe von Mandanten dieser üblicherweise vertritt. Ein Rechtsanwalt, der auch Anleger vertritt, mag vielleicht nicht die ideale Wahl für Ihr Ver- fahren sein, liefert man diesem doch in aller Regel die Argumente, die er dann für seine Konsumentenklienten einsetzen und mit de- nen er ungünstige Urteile erwirken kann. Generell sollte jeder, der mit Haftungsan- sprüchen konfrontiert wird, unterlassen, sein Vermögen zu verschieben. Vermögen dem Haftungsfonds des Gläubigers zu entziehen, verwirklicht den Tatbestand der Schädigung fremder Gläubiger und ist gemäß §§ 156 f. StGB mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Darüber hinaus kann die Vermögens- verschiebung rückgängig gemacht werden, sodass dieser ursprünglich „gedachte“ Vorteil wieder zunichte gemacht wird. Außerdem sollten Sie bei Vorliegen von Verdachtsmomenten unverzüglich Ihre Haft- pflichtversicherung informieren. Solche Ver- dachtsmomente ergeben sich etwa aus dem Anruf eines Anwalts, einem Schreiben eines Anlegers oder der Insolvenz eines Finanz- dienstleisters, mit dem Sie kooperierten. Je- denfalls sollten den Anlegern gegenüber keine wie auch immer gearteten Zusagen gemacht werden. Oftmals werden diese dokumentiert und im Prozess gegen den Berater verwendet. Unter solche Zusagen fällt auch die häufige Aufforderung der Anlegeranwälte, einen so- genannten Verjährungsverzicht abzugeben. Dies sollte tunlichst mit dem eigenen Anwalt und der Haftpflichtversicherung abgestimmt werden. Da es im Gerichtsverfahren wesent- lich darauf ankommt, wer seine Position über- zeugender beweisen kann, ist es schließlich wichtig, die ursprüngliche Beratungssituation genau nachzuvollziehen und Beweismittel (z.B. E-Mails) zu sichern. Es gilt bei jeglichen Verdachtsmeldungen die angeführte Checklis- te (siehe Kasten) zu beachten und gegebenen- falls weitere Informationen abzuwarten. Die ständige Rechtsprechung stellt klar, dass die Eigenhaftung des Vertreters stets die seltene Ausnahme bleiben muss (OGH 4. 10. 1989, 3 Ob 519/89). Daher haftet der Erfüllungsgehilfe grundsätzlich nicht selbst für Schäden, die aus einer Fehlberatung resul- tieren. Jedoch ist es ausnahmsweise möglich, dass der Erfüllungsgehilfe in den oben ge- nannten Fallkonstellationen direkt haftet. Fazit Angesichts der Tatsache, dass in Österreich aktuell etwa 6.000 Erfüllungsgehilfen tätig sind – wobei man von einer Zahl um die 13.000 ausgehen muss, wenn auch Makler und Versicherungsagenten berücksichtigt wer- den –, ist es wichtig und unerlässlich, sich der ausnahmsweisen Eigenhaftung bewusst zu sein und sich diesbezüglich zu sensibilisieren. Die Rechtsprechung geht in die Richtung, den Anlegern einen höheren Haftungsfonds im Falle einer (schuldhaften) Fehlberatung zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinne werden immer mehr Berufsgruppen, vornehmlich aus dem Dienstleistungssektor, dazu verpflichtet, potenzielle Schäden mittels gesetzlich ver- pflichtender Haftpflichtversicherung abzu- sichern. Die Tatsache, dass der Erfüllungsge- hilfe nur ausnahmsweise direkt haften soll, erfüllt diesen Zweck sinngemäß. Die Autoren Mag. Christian Lenz und Mag. David Zlabinger sind Mitarbeiter der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanz- lei Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH. Die Kanzlei vertritt ausschließlich die An- bieter von Finanzdienstleistungen. FP Haftung des Erfüllungsgehilfen 1.) Eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekom- men des Vertrags wird angenommen, wenn ein aus- geprägtes wirtschaftliches Interesse, das über das Lukrieren einer Provision hinausgehen muss, vorliegt, das der Gehilfe gerade gegenüber diesem einen Kunden des Geschäftsherrn hat. Die Rechtsprechung nimmt dies aufgrund einer zumindest überwiegenden Beteiligung des Gehilfen am angebotenen Geschäft an. Aber auch bei einem Pyramidenspiel (Erfüllungsge- hilfe ist der Initiator), bei dem das eigenwirtschaftliche Interesse an der Werbung unübersehbar ist und gera- dezu als Motor des ganzen Systems betrachtet werden kann, hat das Gericht ein direktes Haften des Erfül- lungsgehilfen bejaht. 2.) Der Erfüllungsgehilfe nimmt bei den Vertragshand- lungen etwa dann in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch, wenn er eine außergewöhnliche Sachkunde für den Vertragsgegenstand besitzt, eine (formunwirksame) Garantieerklärung abgegeben hat oder ein Freundschafts- oder Verwandtschaftsverhält- nis zwischen ihm und dem Anleger besteht. Die Rechtsprechung nimmt dies ebenfalls an, wenn der Anlageberater als Erfüllungsgehilfe auf besonders „missionarische Weise“ und mit „religiösem Eifer“ eine bestimmte Anlageform angepriesen hat. Im Ge- gensatz dazu wurde der bloße Hinweis, die Anlage sei eine „sichere Sache“ für nicht ausreichend angesehen, eine persönliche Haftung des Erfüllungsgehilfen zu begründen; das gilt auch für den Hinweis, er selbst habe auch in dieses Produkt investiert. 3.) Ein Auskunftsvertrag kommt dann zustande, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliegt und der interessierte Anleger klarmacht, dass er gerade die einschlägigen Kenntnisse und Verbindungen des Er- füllungsgehilfen in Anspruch nehmen will. Es wird dann der Abschluss eines selbstständigen Auskunfts- vertrags fingiert, wodurch die richtige und vollständige Auskunftserteilung zu einer vertraglichen Hauptleis- tungspflicht gemacht wird. Die Haftung aus einem stillschweigend zustande ge- kommenen Beratungsvertrag ist nach der Recht- sprechung dann anzunehmen, wenn der Erfüllungs- gehilfe Auskünfte erteilt, die für den Anleger erkennbar von erheblicher Bedeutung sind und darüber hinaus Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen sind. Checkliste für den Ernstfall Wird man als Erfüllungsgehilfe einer Wertpapierfirma mit einer Schadenersatzforderung eines Kunden konfrontiert, sind in der Reaktion darauf folgende Punkte tunlichst einzuhalten: 1.) Keine Vermögensverschiebungen 2.) Vorsichtsmeldung an die Versicherung 3.) Anlegern keine wie auch immer gearteten Zusagen machen 4.) Ruhe bewahren und keine unüberlegten Entscheidungen treffen 5.) Kontakt mit einem Anwalt aufnehmen 6.) Sachverhalt dokumentieren, Beweis sichern

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