FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2016

V ielen Wertpapiervermittlern und ge- werblichen Vermögensberatern wird der Umstand, dass sie wegen einer Falschberatung direkt haften können, erst be- wusst, wenn sie vom Gericht die Klage eines vermeintlich geschädigten, von ihnen in der Vergangenheit beratenen Anlegers erhalten. Eine solche Klage kommt für die meisten des- halb überraschend, weil sie sich jahrelang in Sicherheit gewogen haben, dass „ihr Haf- tungsdach“ ohnedies den Kopf für die Bera- tungsfehler der Erfüllungsgehilfen hinhalten muss. Diese Überraschung ist zum Teil auch verständlich, gilt doch grundsätzlich, dass der Geschäftsherr (die Vertriebsorganisation, in deren Namen und auf deren Rechnung der Erfüllungsgehilfe tätig ist) für die Fehlleis- tungen all jener, deren Unterstützung er beim Erbringen seiner Leistungen in Anspruch nimmt, haftet. Freilich gilt auch hier die alte Regel, dass es überall dort, wo Regeln gelten, auch Ausnahmen gibt. Durch die unterschied- liche Rechtsstellung der Wertpapiervermittler und Vermögensberater wird die Situation zu- sätzlich kompliziert. Wertpapiervermittler erbringen im Zusam- menhang mit Finanzinstrumenten (imWesent- lichen: Wertpapiere) Beratungs- und Vermitt- lungsleistungen gegenüber Anlegern und Kunden. Dabei führen sie die Beratung und Vermittlung jedoch nicht eigenständig durch, sondern im Namen und auf Rechnung eines Finanzdienstleistungsunternehmens. Sie sind somit (ausschließlich) als Erfüllungsgehilfen tätig und haften in der Regel nicht selbst gegenüber Anlegern. Bei „Gewerblichen Vermögensberatern“ ist die Beurteilung differenzierter: Wenn sie Wertpapiere vermitteln, sind auch sie im Na- men des Konzessionsträgers (WPDLU oder Wertpapierfirma) tätig – erster Haftungsadres- sat ist daher das „Haftungsdach“. Vermitteln sie andere Anlageprodukte, die nicht Wertpa- pierfirmen vorbehalten sind, etwa Komman- ditbeteiligungen wie „geschlossene Fonds“, machen sie dies grundsätzlich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung – erster Haftungsadressat ist daher der gewerbliche Vermögensberater selbst. Tritt der gewerbliche Vermögensberater jedoch im Namen und auf Rechnung einer Vertriebsorganisation auf, de- ren Interesse es ist, durch die Tätigkeit ihrer Erfüllungsgehilfen Erträge zu generieren, so kommt als zusätzlicher Haftungsfonds auch die Vertriebsorganisation selbst infrage. Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie der Berater gegenüber dem Kunden auftritt und in welcher Form die Zusammenarbeit zwi- schen Vermögensberater und Vertriebsorgani- sation bestand. Konkurs des Haftungsdachs Für den Erfüllungsgehilfen, der sich auf sein Haftungsdach verlässt, kann die Lage dann dramatisch werden, wenn über das Ver- mögen der Vertriebsorganisation, für die er tätig war, das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In diesem Fall werden die Kunden des Finanzdienstleisters oft nur mit einer geringen Quote aus der noch vorhandenen Vermögens- masse befriedigt. Daher versuchen Anleger auch von anderen ihren Schaden ersetzt zu erhalten. In der Vergangenheit waren die Haf- tungsadressaten dabei regelmäßig die Repu- blik als Träger der Aufsichtsbehörde, Wirt- schaftsprüfer und die Anlegerentschädigungs- einrichtung, etwa im Zusammenhang mit den Vorgängen rund um „AvW“ und „AMIS“. Außerhalb der Zuständigkeit der Wertpapier- aufsicht – ganz aktuell im Fall der Insolvenz von „Ertrag & Sicherheit“ – rückt der Vermö- gensberater selbst ins Visier der geschädigten Anleger und deren Anwälte. Wann haften nun Erfüllungsgehilfen direkt? Direkte Haftung Obwohl dies in der Regel nicht der Fall ist, kann das Verhältnis zwischen Anleger und Erfüllungsgehilfen so gestaltet sein, dass Wert- papiervermittler oder gewerbliche Vermögens- berater direkt als Haftungsadressat herange- zogen werden können. Dazu hat die Recht- sprechung einige Fallkonstellationen heraus- gearbeitet. Demnach haftet der Erfüllungs- gehilfe dann, wenn dieser 1. ein ausgeprägtes eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrags hatte 2. wenn bei den Vertragsverhandlungen im Bei Insolvenz eines Haftungsdachs ist für den Erfüllungsgehilfen Vorsicht geboten. In diesem Fall versuchen Anleger möglicherweise auch vom Erfüllungsgehilfen ihren Schaden ersetzt zu erhalten. 210 www.fondsprofessionell.at | 4/2016 steuer & recht I beraterhaftung Foto: © Fotolia | Andrey Burmakin Wann haften die Helfer? Die (direkte) Haftung des Erfüllungsgehilfen bei der Wertpapiervermittlung ist ein unterschätztes Risiko. Ein Überblick über die Rechtslage.

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=